Gibt es im Deutschen eigentlich keinen besseren Ausdruck als „Depression“? Solche pathologietingierte Wörter (zu denen auch Sachen wie „Burnout“ gehören) stigmatisieren doch schon von vornherein und weisen dem Betroffenen seinen Platz außerhalb der „Normalität“.
In unseren immer wirrer und perverser werdenden Zeiten, wo der Einzelne immer weniger die Chance hat, sich in rechter Weise ins Leben einzubringen, sind kürzere oder längere Anfälle von Verzweiflung oder extremer Niedergeschlagenheit völlig normal.
Nicht verzweifeln tun höchstens Leute von
a) extremer seelischer Stärke und Reife, die ihr Innenleben voll unter Kontrolle haben und selbst in der Unwegsamkeit Wege schlagen können (was nicht bedeutet, daß solche keine Niedergeschlagenheit empfinden können; sie sind nur häufig stärker als die Niedergeschlagenheit),
oder, umgekehrt, von
b) extremer seelischer Seichtheit und Unreife, die nix merken und sich selbst an den größten Unsinn problemlos anpassen können.
Vor solchem Hintergrund scheint es verfehlt, verzweiflungs- oder niedergeschlagenheitsbedingtes Nichtangepaßtsein mit solchen pathologiebeladenen Etiketten zu bekleben und, schüchtern in der Ecke sitzend, vielleicht in Selbsthilfegruppen gegenseitig die Wunden leckend, die „Funktionierenden“ zu bitten, einen doch ein bißchen zu verstehen. Die unter a) charakterisierten „Normalen“ verstehen sowieso, während die unter b) charakterisierten sowieso nix verstehen und sich höchstens in ihrem Überlegenheitswahn bestätigt fühlen.
Unter anderem geht es darum, das kranke Normalitätsverständnis zu kurieren; dann hat man schon ganz klein wenig gewonnen.
Und daß die normale heile Welt am Zusammenkrachen ist, det iss inzwischen sogar schon für manche Halbblinde sichtbar.
Um Mißverständnisse zu vermeiden:
Diese kurze Anmerkung ist nicht in dem Sinne gemeint, daß man die das „Verletztsein“ zur überlegenen Pose machen soll, um in solcher zu glänzen (in Zeiten, die dazu neigen, sofort alles zur Pose zu machen, keine überflüssige Anmerkung); sie soll einfach bloß Anregung sein, das reale Verletztsein in seinem gesellschaftlichen Kontext zu durchdenken.
So isses
1 Kommentar:
Ich zitiere dich: "a) extremer seelischer Stärke und Reife, die ihr Innenleben voll unter Kontrolle haben und selbst in der Unwegsamkeit Wege schlagen können (was nicht bedeutet, daß solche keine Niedergeschlagenheit empfinden können; sie sind nur häufig stärker als die Niedergeschlagenheit),"
Wunderbare Aussage, die mich nicht mal überrascht, wenn sie von dir formuliert wird.
Kommentar veröffentlichen