Ausnahmsweise wieder wat in ernsterem Tonfall.
Um jenen Gäfgen geht’s, der vor Jahren in Zusammenhang mit versuchter Geldbeschaffung jemanden umbrachte, in der Folge erwischt und zu lebenslänglicher Haft verurteilt wurde. Der Fall erregte damals besonderes Aufsehen, weil ihm während des Verhörs Folter angedroht wurde. Aus dieser Folter-Drohung versuchte er nun, durch einen Antrag beim Europäischen Gerichtshof juristischen Profit zu schlagen. Was aber nicht klappte:
„Teilerfolg für Gäfgen: Deutschland hat mit der Gewaltandrohung gegen den Kindermörder gegen das Folterverbot verstoßen. So hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte befunden. Das Verfahren wird aber nicht wieder aufgenommen.“
Ich find diesen erfolglosen Mörder nicht besser und nicht schlimmer als die Massen seiner – eingesperrten oder, meist, frei herumlaufenden – Gesinnungskollegen, die sich gewissenlos bereichern und denen es dabei egal ist, was sie im Zuge ihrer Bereicherung direkt oder indirekt ihren Mitmenschen antun. Und ich zweifle nicht daran, daß im Erfolgsfalle, das heißt: wenn er in Straßburg mit seiner Klage durchgekommen wäre, wenn man den Prozeß hätte neu aufrollen müssen und wenn die Sache mit einem Freispruch geendet hätte – er für die Presse vom erfolglosen Mörder zum erfolgreichen Macher avanciert wäre.
Zu jenem Polizeivizepräsidenten Wolfgang Daschner, der sich der Folterdrohung schuldig machte: Die scheinheilige Hetze gegen selbigen in den Medien fand ich damals ausgesprochen ärgerlich. Die Situation war ja so, daß man zu dem Moment keine Ahnung hatte, wo sich das Opfer jenes Herrn Gäfgen befindet; man wußte nur, daß es höchste Zeit ist, diesen entführten Menschen zu finden, damit er nicht umkommt. Daß er bereits tot ist wußte man ja noch nicht. – Daß in dieser brenzligen Situation, unter Verstoß gegen elementarste Dienstvorschriften und Gesetze im Interesse des Opfers mit Folter gedroht wurde – empfand ich als einen Akt von Zivilcourage.
Ein – vielleicht etwas grobschlächtiger – Vergleich: Wenn jemand in den Fluß gefallen ist und untergeht, und ein zweiter Jemand am Ufer ist, der ihn retten will, so wird dieser Jemand im Eifer des Gefechts sich nicht lang überlegen, ob es gerechtfertigt ist, daß er bei dieser Rettungsaktion über ein Privatgrundstück hinweglaufen muß mit kategorischem „Betreten verboten“, auf dem irgendwelche vom Aussterben bedrohte Vögel nisten. Nachher wird man sich dann mit den kaputtgetretenen Gelegen beschäftigen; wobei auch niemand leugnen wird, daß es schlecht ist, daß unter verbotswidrigem Betreten eines Grudnstücks Schaden angerichtet wurde; aber man wird sich beim nachträglichen Beurteilen der Rettungsaktion doch wohl nicht ausschließlich auf die zertretenen Gelege konzentrieren. Oder vielleicht doch, da bei der heutigen Presse alles möglich ist.
Folter und auch nur Androhung von Folter haben in einem modernen Rechtsstaat nichts zu suchen; es war unumgänglich, die Sache juristisch zu verfolgen, um keinen Präzedenzfall zu schaffen. Das ist das Eine: Der Betreffende hat sich, mal unabhängig von den Umständen, eines groben Vergehens schuldig gemacht; es geht nicht anders: er muß sich dieser Verantwortung stellen. Einverstanden. Nicht einverstanden war ich mit dem übelkeitserregenden Medienrummel, der die ganze Angelegenheit in stinkige Nebelschwaden tauchte.
Ein möglicherweise prinzipiell unlösbares Dilemma, das bei fairem und sachlichem Verhalten der Massenmedien aber vermutlich etwas anders ausgeschaut hätte.
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