„Der lebenswidrige Mißbrauch,die reaktionäre Ausbeutungantiliberaler Ideenkann nicht siegreich sein.“
Auf Facebook erblickte ich ein Foto, welches, denkmalhaft vornehm in Guß gegossen, obiges Zitat zeigte.
Ein Name stand nicht drunter; und die Fotografin fragte sich: Von wem das wohl sein mag?
Dieser vornehm aufgemachte Jargon belustigte mich, und ich kommentierte:
Erst mal kapieren, was das bedeuten soll. Ich kapier gar nix. Ob man vielleicht die antiliberalen Ideen schützen sollte, damit niemand sie reaktionär ausbeutet?
Und im Weiteren dann deutlicher werdend:
Reinster nichtssagender marxistischer Jargon. Man könnte es auseinandernehmen und eine kurze Groteske daraus zusammenbasteln; dann wäre es wenigstens zu etwas nütze. Glaub nicht, daß es von Marx ist; der war ja noch kein Marxist und pflegte vermutlich auch eine klarere Sprache. Könnte von Lenin sein oder Stalin oder von einem dieser DDR-Helden. Ulbricht vielleicht...
Recherchen via Google ergaben dann: dass das Zitat von Thomas Mann stammt. Und zahllose hochgelahrte Abhandlungen spuckte Google noch zusätzlich aus, denen ebendieses nichtssagende Gebrabbel als Epigraph diente.
Dies fand ich nun ausserordentlich interessant.
Ick meine nicht das Zitat an sich (meine unumstössliche Meinung dazu hab ich weiter oben bereits wiedergegeben), sondern die kritiklose Autoritätshörigkeit unserer lieben Zeitgenossen:
Da die Aussage von Thomas Mann stammt, ist sie von unbestreitarem Wert.
Für mich zwar nicht. Ich bin zum Glück nicht hochgelahrt und darf mir daher den Luxus erlauben, mich auf Logik und Sprachgefühl zu verlassen.
Noch ein kurzer Auszug aus meinen weiteren Auslassungen:
Von der Formulierung und der Wortwahl her ist das Zitat wirklich in solchem Maße daneben, daß man es zu einem kurzen Groteskical verarbeiten könnte. Vielleicht mach ich es noch; bloß nicht mehr heute abend.
Die Floskel "reaktionäre Ausbeutung" ist, für sich genommen und vor allem durch deren weitverbreiteten Mißbrauch, schon außerhalb jeden Kontextes genügend komisch. Und dieser Komismus nun auf die Floskel "antiliberale Ideen" bezogen - iss einfach ein Geniestreich der unfreiwilligen Komik.
Eben diese verstreuten Anmerkungen hatte ich jetzt grad eben zu einem längeren zusammenhängenden Kommentar ausarbeiten wollen; doch kaum hatte ich mich hingesetzt, um meinen Vorsatz in die Tat umzusetzen, wie auch schon sich vor mir die Frage hinstellte:
Wozu denn das gut sein sollte?
Und ich beschloss, es bleiben zu lassen.
Es mag ja sein, daß der Thomas Mann irgendwas ganz Edles damit gemeint hat; doch für einen Menschen, der als berühmter, der deutschen Sprache mächtiger Schriftsteller gilt, klingt ein solch primitiver Jargon doch etwas erbärmlich; nich? Sicher hat er sich an anderen Stellen besser und prägnanter ausgedrückt.
Dem Thomas Mann aber wünsche ich von Herzen, daß irgendwann mal Zeiten anbrechen werden, die weniger durch Autoritätshörigkeit geprägt sind als die unsrigen [was, so die Menschheit in ihrer dumpfen Autoritätshörigkeit die Welt nicht vorher zugrunderichtet, durchaus passieren könnte] und daß eine solche zukünftige Menschheit nur die Aussagen von ihm zitieren wird, die des Zitierens würdig sind und nicht, seinem Rufe zum Schaden, seine Ausrutscher zu Weisheiten hochstilisiert.
So isses.
Der Satz stammt wohl nicht von Thomas Mann. Er fehlt in meiner digitalisierten Ausgabe, kein Kenner, den ich fragte, hält ihn für echt. Er wurde von der Website des 'be.bra wissenschaft verlag's als Zierzitat in Umlauf gebracht. Ich habe dort telefonisch und per Mail nach der Quelle gefragt, aber keine Antwort erhalten. Sollte er von Mann sein, ist es vermutlich Satire. Aber egal - wieder fällt auf, dass wichtiger ist, wer gesagt hat, als was, bzw. die 2 Kulturen, Lesen und Anbeten.
AntwortenLöschenEben.
AntwortenLöschenIn diesem Fall also ein versehentlich aufgestelltes Götzenbild, welches versehentlich zu einem Lehrstück wurde in Sachen vorbehaltloser Götzenverehrung.
Nachtrag
AntwortenLöschenJene Tafel mit besagtem Zitat findet man in Berlin vor dem deutschen Ministerium des Inneren.
Geknipst wurde det von Berthild Lorenz
Kleiner Überscherzungsversuch: Wenn der Satz von Mann stammt, ist es hilfreich, zu wissen, dass er Liberaler war. Antiliberale Ideen wären dann sozialistische. Lebenswidrig scheint nicht als antibiotisch, sondern als lebensfern gebraucht. Und reaktionär wäre vielleicht die Gegenreformation. Kurzum: Mit naivem Sozialismus bringt man keinen dazu, katholisch zu werden.
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