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(eine sozialästhetische Kriegserklärung – Raymond Zoller gewidmet)
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Autor:
Reto Andrea Savoldelli
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Meine ägäische Ferieninsel gebärdet sich zur Zeit, als gehörte sie zu den schottischen Orkneys. Nach nächtlichem Gewittersturm heuchelt sie frühmorgens erschöpften Dauerregen, der zeitraubende, dem lichtbeschienen Meeresrauschen gewidmete Spaziergänge verbietet. Vielmehr ermuntert er unüberhörbar, sich über Limericks zu unterhalten.
Zur Bekräftigung zwei Fotos meines Balkons, wenig aussagefähig fürwahr, da sie weder den heulenden Wind, noch die Schwere der Tropfen wiedergeben. Lassen sie sich nicht vom munteren Orange und den scheinbar inexistenten Tropfen in die Irre führen: der Regen ist ebenso heftig wie die fotografische Technik beschränkt! – Während ich dies tippe, hat sich der Regen in die Begleiterscheinung eines erneut anwachsenden Sturmes gewandelt: Zeus hagelt Blitze und Hera kugelt hinterher. Vergessen Sie also, was ich vorhin gesagt habe.
Dass besagte Dichtform wirklich aus besagtem irischem Städtchen stammt, bezweifle ich, bin darüber jedoch nicht gesichert aussagefähig, da ich über keinen Internetanschluss verfüge. Bitte googeln Sie auch für mich!
Was ich aber weiss, ist immerhin das Folgende:
Ich behaupte, dass ein echter Limerick aus fünf Zeilen bestehen muss. Wichtig: fünf, nicht sechs und nicht vier, denn er wirkt durch das ungehobelt Ungerade.
Drei Zeilen reimen sich, und die zwei übrigen Zeilen reimen sich auch, doch tun sie dies mit dem Charakter des Limerick, insofern sich die drei reimenden Zeilen nicht in geordneter Folge zu stehen haben, sondern nach Zeile zwei den Paarreim in sich aufnehmen. Weiter: Die drei gereimten Zeilen sind unverhältnismässig lang (irische Limerickkünstler sollen es auf 93 Hebungen gebracht haben, ich beschränke mich auf 6 bis 7). In jedem Fall müssen sie lang genug sein, um die Kontrastwirkung zu dem so kurz wie möglichen Paarreim zu erzeugen (in meinem Beispiel zwei Hebungen, weniger geht kaum).
Das holperige Gestoppel, zu dem uns ein echter Limerick mitnimmt, wird auch im grössten Kunstbanausen sein irgendwo vorhandenes Empfinden für das missachtete Gleichmass beinahe gewalttätig zu wecken verstehen. Rümpft er daraufhin etwa die Nase über einen echten Limerick? - Keineswegs, da dessen unangemessene Form (sein vorstellbarer Inhalt sei kontrapunktisch banal prätentiös) mit seiner darob komischen Wirkung die Lebensgeister nachhaltig zu erfrischen vermag, wie, um im Bild zu sprechen, wie wenn etwa ein Bundeskanzler (es könnte auch eine Kanzlerin sein), mit einem schwer beschlauften Kranz bei der Annäherung an die zentrale Marmorstele eines Soldatenfriedhofs, der in pathetischer Leere irgendwie an einen sinnarmen Massentod erinnern soll, über die letzte niedrige Stufe stolpern und der bereits erhobene Kranz nach dem Fall auf den Marmor hinterrücks auf dem Kopf des nationalen Kranzüberbringers landen würde.
Zwei historische Beispiele (Oslo 1982):
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Verschobene Initiation
Ein homo sapiens von ganz gewohnter Seelenart
wollt streben zu Höhen in des vollen Geistes Gegenwart.
Doch tut sich nichts regen,
so verlegt er sich eben
auf die Pflege der Strebe für die zukünftige Lebensfahrt.
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Zerschlagene Emanzipation
Eine doma sapiens stund weinend in Körnerzubereitung,
denn ihr Ernährungsideal zerschlug derb die Familienleitung:
«Ich fordere in den Topf
Das Huhn mit der Kartopf!
Ansonsten sich nahen tut unseres Eheverbundes Scheiterung!»
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Als Bonus ein aktuelles Beispiel (Samothrake 2014):
Grüner Star
Sein Fell kratzend kantapert der lüsterne Pan durch ägäische Brocken.
Die Ziegen kuppelnd er hitzestöhnend sich entledigt zuletzt seiner Socken,
Als er äugt
Wie es säugt ---
Doch da ragt nur ein Fels, erregend panischen Schreck wegen altersbedingten Netzhautflocken.
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Diese Beispiele sollen vor allem Politiker dazu anregen, sich vermehrt im Schreiben von Limericks zu üben. Wie ich bereits in meiner leider kaum beachteten, geschweige denn genügend gewürdigten universalästhetischen Studie «Farbenwirbel und Säulengeheimnis» nachgewiesen habe, gibt es kein besseres Mittel gegen Kriegsgelüste als die künstlerische Übung. Jene Studie arbeitete sich an Rudolf Steiners letztem Vortrag vor Ausbruch des ersten Weltkrieges und seiner Bedeutung für die Malerei am Beispiel des Rot/Blaugegensatzes ab. (Kostenlos einzusehen auf www.das-seminar.ch) Sie empfahl bereits im Vorwort (2001) dem amerikanischen Präsidenten die sozialästhetische Kriegsführung gegen das eigene Unvermögen durch eine täglich durchgeführte malerische Tätigkeit. G.W.Bush hat meinen Ratschlag leider und zudem nur teilweise erst nach seiner Pensionierung aufgegriffen. Anstatt sich in die Grunddynamik der Farbwelt zu stürzen, malt er zuhause Fotos seiner früheren Verhandlungspartner ab. Dennoch, eine gewiss gute psychotherapeutische Massnahme.
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