Raymond Zoller
Es geht um eine an irgendwelche Politiker gerichtete Petition „Aus Sorge um Europa – Was ist zu tun?“, mit der man einen Beitrag leisten will zur Verhinderung eines europäischen Krieges.
Den vollständigen Text der Petition mitsamt der Möglichkeit, sie bei Bedarf zu unterzeichnen, findet man unter https://weact.campact.de/petitions/aus-sorge-um-europa-was-ist-zu-tun
Zweimal wurde ich direkt angeschrieben mit der Bitte, besagte Petition zu unterzeichnen. Bloß bereitete deren Text mir ernsthafte Probleme; und obwohl ein solcher Krieg, wie überhaupt jeglicher Krieg, mir unbedingt verhinderungswürdig scheint, könnte ich das so nicht unterschreiben
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„Der bewaffnete Konflikt in der Ukraine schwelt weiter. Die Gefahr eines Krieges in Europa ist nicht gebannt. Eine Eskalation der Kriegshandlungen in der Ukraine – aus welchen Gründen und von welcher Seite auch immer – kann von heute auf morgen erneut stattfinden…“ – […] – „Wir halten den Krieg als Lösung von Konflikten jedweder Art in Europa für ungeeignet, antiquiert und nicht zielführend. Wir kennen heute als Menschheit Mittel und Wege wie Konfliktschlichtungen, zwischenstaatliche und interkulturelle Mediationen, die besser und mit wesentlich höherer Wahrscheinlichkeit auf Erfolg dazu geeignet sind, eskalierende Auseinandersetzungen zwischen Menschen, Volksgruppen und Völkern zu bewältigen… […]“
Und so weiter.
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Kling alles sehr vernünftig und ist sicher gut gemeint. Aber trotzdem…
Vor kurzem entdeckte ich den Aufruf zum Unterzeichnen ebendieser Petition auch auf Facebook. Diesmal faßte ich in einem Kommentar meine Bedenken knapp zusammen:
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Mit dem Text dieser Petition hab ich etwas Probleme.
Nämlich geht es in diesem Fall de facto gar nicht um „Krieg als Lösung von Konflikten“. Die Konflikte wurden künstlich eben von der Seite aus entfacht, die nun Krieg gegen Rußland führen möchte, werden von ebendieser Seite aus künstlich am Brodeln gehalten und zum Eskalieren gebracht.
Wenn es darum ginge, Konflikte zu lösen, würde es reichen, die westlichen Marionetten aus den Krisengebieten herauszuziehen und sich um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern.
Ziel der Kriegstreiberei kann alles Mögliche sein; ganz sicher aber nicht die Lösung von Konflikten.
Obwohl Bürger eines EU-Staates (für welchselbige Staatsbürgerschaft ich mich fast schon schäme) würde ich aufgrund dieser unstimmigen Formulierungen die Sache nicht unterzeichnen
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Hierauf gab es eine Antwort von
Reto Andrea Savoldelli:
Genau damit hatte ich auch meine Probleme. Aber Rohlfs ist nun mal Konfliktmanager. Die Petition ist an drei deutsche Politiker gerichtet. Sie huldigen gewiss dem Weltbild, wonach es der Forderung des Tages entspricht, Konflikte human zu lösen. Diese Verbalie sind sie ihren Wählern schuldig. Man vermutet, dass diejenigen, welche Kriege in den letzten Jahren schon nicht haben verhindern, sie vielleicht beenden können. Eine zwar vage Hoffnung, die sich durch eine grosse Anzahl von Unterzeichnern erfüllen soll. Diejenigen, die erkennen, daß in der Nacht agiert wird, Konflikte unter Menschen zu schüren, die zu dumm sind, den äußeren Frieden als Voraussetzung zur Herstellung des inneren zu erhalten, stellen noch andere Forderungen. Da hast Du völlig recht!
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Was den Anlaß gab, meine Sichtweise weiter zu präzisieren:
Raymond Zoller
Welches Weltbild die einzelnen Politiker real haben, weiß ich nicht; vielleicht tun sie nur so, als seien sie an Konfliktlösungen interessiert. Vielleicht sind manche unter ihnen tatsächlich dumm genug, um nicht zu merken, was gespielt wird; kann sein, ist möglich; doch das sind dann reine Strohpuppen, die sowieso nix ausrichten könnten und nur der Staffage dienen.
Ich zieh es vor, das Kind beim Namen zu nennen. Wenn ich durch Unterzeichnen der Petition das Konfliktlösungs-Argument unterstützen würde, müßte ich mich als Lügner empfinden. Bin da etwas überempfindlich.
Und sowieso bin ich der Ansicht, daß man beim Bemühen um Problemlösung als allererstes bemüht sein muß, die Problemlage so klar als möglich ins Auge zu fassen und daß jede noch so gutgemeinte demagogische Verzerrung die Sache nur noch weiter verkompliziert.
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Reto Andrea Savoldelli antwortete:
Reto Andrea Savoldelli:
Dass die Petition eine gutgemeinte demagogische Verzerrung sei, ist nun doch arg dick aufgetragen. Ist sie nicht viel mehr Ausdruck der allgemein um sich greifenden Hilfosigkeit? Also setze ich weiterhin auf das „Gutgemeinte“. Die Petition wird einige Versammlungen und Kongresse beleben und damit beitragen, das Gutgemeinte zu präzisieren oder zu korrigieren. Ich habe die Petition unterzeichnet und will meine Unterschrift jetzt nicht streichen lassen. Ohnehin ist sie als von einem in Frankreich lebenden Italo-Schweizer stammend weitgehend bedeutungslos. - Es gibt ja nicht nur Cantorsche Unendlichkeitsstufen, sondern auch Abstufungen des Gutgemeinten bis hinauf zum wirklich Guten, je nachdem, welche Intuitionen ihm zugrunde liegen oder fehlen.
PS: Als ich vom „Agieren in der Nacht“ sprach, musste ich an Kennedys berühmte Rede denken, die eine Widerstandserklärung gegenüber seinen Mördern enthielt. In ihr warnte er vor einer einflussreichen, global agierenden Gruppe, welche ihren „Einfluss durch Umsturz und nicht durch Wahlen erweitern, die anstelle der Armeen bei Tage die Guerillas bei Nacht einsetzen.“ - Auf solche Menschen wie etwa Patricia Nuland, wenn man sie denn so nennen will, die den Krieg in der Ukraine vorsätzlich herbeigeführt haben, haben die Herren Steinmeier, Erler und Gysi (an sie ist die Petition gerichtet) keinen Einfluss. Die werden ihr „Fuck the EU“ kaum revidieren. Je länger ich darüber nachdenke, je mehr mache auch ich mir Sorge um Europa, weil ich ein Europa, das in Gefahr stehen würde, gar nicht sehe. Um welches Europa ist die Petition denn in Sorge? Das Brüsseler Europa? Das EZB-Schäuble-Europa? Das US- Kriegsadjutant-Europa? Oder das Europa deutscher Idealisten?
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