Freitag, September 28, 2012

Vom Berühmtsein

Sollte ich mal richtig berühmt werden, so würde ich mir ein neues Pseudonym zulegen.

Denn es ist doch lästig, wenn das Volks einem, ohne wat zu kapieren, gewohnheitsmäßig alles nachplappert, nur weil man berühmt ist.

Aushalten können sowas nur Leute, die sowieso nix zu sagen haben oder die schon tot sind.

(Wilhelm von Dorten)

Samstag, September 15, 2012

Vom schlafen, Schlafwandeln und Aufwachen

Der Mensch von heute lebt, im Allgemeinen, mehr oder weniger im Tiefschlaf. Schlafwandelt etwas herum, redet auch im Schlafe (manches klingt sogar im ersten Moment recht gescheit); läßt sich auch willig in Programme einbinden, wo er weiterschlafen kann. Alles in allem: der Schlaf bestimmt unsere heutige Realität.

Fragen haben mit einsetzendem Aufwachen zu tun.

Es gilt, diese Momente zu erkennen und einzugreifen. Das ist ganz was anderes, als via Agitation Anhänger für ein Programm zusammenzutrommeln. Anhänger stolpern in ihrem Halb- oder Tiefschlaf von einem Programm zum andern; doch wer sich seiner Fragen bewußt wird und ihnen nachgeht – der weiß, was er tut.

[Zur Weiterentwicklung drängende aufkeimende Fragen bei anderen erkennen kann natürlich nur derjenige, der für in ihm selbst aufkeimende Fragen sensibilisiert ist. Wem diese Sensibilisierung fehlt, der versteht vermutlich gar nicht, was hier gemeint ist]

So isses

Freitag, September 14, 2012

Vom Verletztsein

Gibt es im Deutschen eigentlich keinen besseren Ausdruck als „Depression“? Solche pathologietingierte Wörter (zu denen auch Sachen wie „Burnout“ gehören) stigmatisieren doch schon von vornherein und weisen dem Betroffenen seinen Platz außerhalb der „Normalität“.

In unseren immer wirrer und perverser werdenden Zeiten, wo der Einzelne immer weniger die Chance hat, sich in rechter Weise ins Leben einzubringen, sind kürzere oder längere Anfälle von Verzweiflung oder extremer Niedergeschlagenheit völlig normal.

Nicht verzweifeln tun höchstens Leute von

a) extremer seelischer Stärke und Reife, die ihr Innenleben voll unter Kontrolle haben und selbst in der Unwegsamkeit Wege schlagen können (was nicht bedeutet, daß solche keine Niedergeschlagenheit empfinden können; sie sind nur häufig stärker als die Niedergeschlagenheit),

oder, umgekehrt, von

b) extremer seelischer Seichtheit und Unreife, die nix merken und sich selbst an den größten Unsinn problemlos anpassen können.

Vor solchem Hintergrund scheint es verfehlt, verzweiflungs- oder niedergeschlagenheitsbedingtes Nichtangepaßtsein mit solchen pathologiebeladenen Etiketten zu bekleben und, schüchtern in der Ecke sitzend, vielleicht in Selbsthilfegruppen gegenseitig die Wunden leckend, die „Funktionierenden“ zu bitten, einen doch ein bißchen zu verstehen. Die unter a) charakterisierten „Normalen“ verstehen sowieso, während die unter b) charakterisierten sowieso nix verstehen und sich höchstens in ihrem Überlegenheitswahn bestätigt fühlen.

Unter anderem geht es darum, das kranke Normalitätsverständnis zu kurieren; dann hat man schon ganz klein wenig gewonnen.

Und daß die normale heile Welt am Zusammenkrachen ist, det iss inzwischen sogar schon für manche Halbblinde sichtbar.

Um Mißverständnisse zu vermeiden:

Diese kurze Anmerkung ist nicht in dem Sinne gemeint, daß man die das „Verletztsein“ zur überlegenen Pose machen soll, um in solcher zu glänzen (in Zeiten, die dazu neigen, sofort alles zur Pose zu machen, keine überflüssige Anmerkung); sie soll einfach bloß Anregung sein, das reale Verletztsein in seinem gesellschaftlichen Kontext zu durchdenken.

So isses

Montag, September 10, 2012

Außenseiterisches

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Im herkömmlichen Sinne rechnet man zur „Außenseiterkunst“, „Outsider Art“, „Art brut“ die Arbeiten von Menschen, die, ohne eine offizielle Ausbildung absolviert zu haben und ohne einen entsprechenden Status (Künstler, Schriftsteller o.ä.) anzustreben oder auszufüllen, ohne finanzielles oder sonstiges der Sache fremdes Interesse rein aus einem elementaren Ausdrucksbemühen oder aus reiner Freude am Gestalten in den verschiedensten Bereichen künstlerisch tätig sind. Streben nach Perfektion oder gar Annäherung an solche gilt bei dieser Sichtweise als außenseiterfremd; was hier zählt ist: ausdrucksstarker Rohzustand.

Solche Sichtweise liegt auch dem in den neunziger Jahren in Moskau gegründeten und 2011 nach Montenegro verlegten Zentrum für Außenseiterkunst zugrunde, dessen Entstehen ich in Moskau aus der Nähe mitverfolgte und mit dem ich nun, nach mehreren Jahren ohne Kontakt, in Montenegro zusammenarbeite.

Ich selbst empfand das Postulat bezüglich „Fehlen von Professionalität“ und „Rohzustand“ von jeher als einengend; das Wesentliche sehe ich in der von sachfremden Beimischungen (wie Ehrgeiz, Gewinnstreben, Nachahmen angelernter Formen usw…) unberührten Ehrlichkeit; ganz egal, ob der Schaffende die Regungen seiner Seele spontan, unreflektiert ins Äußere verkörpert, oder ob er sie bewußt zu einer gewissen Stimmigkeit mitgestaltet, ausgestaltet.

Das heißt, es geht mir nicht um den Unterschied zwischen professioneller und nichtprofessioneller Kunst, sondern: zwischen ehrlichem Ausdrucksbemühen, ehrlicher Freude am Gestalten einerseits, und Augenwischerei andererseits.

In beiden Richtungen – im ehrlichen Ausdrucksbemühen wie in der Augenwischerei – gibt es ein weites Spektrum von reinem Amateurschaffen bis hin zu ausgearbeiteter Professionalität; nur die Mittel und Resultate sind jeweils andere.

Und dann gibt es neben der einfachen Augenwischerei noch die Augenwischerei zweiter Stufe, die Augenwischerei2.

Bei der einfachen Augenwischerei, der Augenwischerei1 also, malt oder schreibt irgendein konkreter Mensch solcherart, daß er damit Anerkennung im Geiste der herrschenden Kriterien anstrebt, ohne daß er von sich aus etwas auszudrücken hätte; rein der Anerkennung oder des Geschäftes willen. Das kann rein amateurhaft sein, kann aber auch unter Anwendung angelernter professioneller Techniken geschehen.

Bei der Augenwischerei zweiter Stufe, d.h. der Augenwischerei2, geht es nicht mehr darum, daß ein konkreter Akteur durch kunstähnliche Tätigkeit Eindruck schinden will; da treten die Imagemaker auf den Plan und sonstige Sozial-Medizinmänner, die systematisch durch psychologische und soziale Tricks irgendwelche Leute (die nicht zuviel eigene Ansätze aufweisen, nicht zuviel Rückgrat haben dürfen, da sonst die Gefahr besteht, daß sie durch eigenständige Schritte die Arbeit der sie aufbauenden Sozialmedizinmänner durcheinanderbringen) im Bewußtsein der Öffentlichkeit zu großen Schriftstellern oder Künstlern oder sonstigen „Promis“ aufbauen. Wenn diese Sozial-Medizinmänner ihr Geschäft verstehen, so kann die von ihnen aufgebaute Person den größten Unsinn verzapfen, der dann vom Publikum als höchste Weisheit, höchste Kunst anerkannt wird. Die Augenwischerei2 ist natürlich immer hochprofessionell; ohne professionelle Tricks funktioniert das nicht. Das heißt: hochprofessionell seitens der Sozial-Medizinmänner; der von ihnen Aufgebaute ist nur Material.

Menschen, die ehrlich etwas zum Ausdruck bringen, galten zu allen Zeiten als Spinner oder auch Kriminelle: weil man sie nämlich - vor dem Hintergrund des Altvertrauten und Gewohnten - nicht verstand und weil aus der Geistesgegenwart heraus ehrlich Ausformuliertes sich immer unterscheidet von den Schlagworten und den allgemein anerkannten Schematismen.

Anders gesagt: wer ehrlich unter Entwicklung eigener Lebensformen, Ausdrucksformen abseits aller gewohnter fixen Vorstellungen, Lebensschemen, Ausdrucksschemen, Jargons seinen Weg geht, ist immer „Außenseiter“.

Dies gilt ganz besonders für die heutige Zeit, wo – nicht zuletzt dank der unterstützenden Funktion der Massenmedien und der Sozialmedizinmänner – im Grunde alles auf Augenwischerei aufgebaut ist, während man ehrlichen Ausdruck, ehrliches Ausdrucksbemühen eher als schrullig empfindet.

Dies, nebenbei gesagt, als Anlauf für eine Neuformulierung des Anliegens dieses unseres Zentrums, welches, räumlich gesehen, untergebracht ist in dem auf untenstehemdem Foto abgebildeten grünen Haus im Hintergrund.

In Hoffnung auf eine erfolgreiche Weiterführung dieses Anlaufs

So isses

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