Dienstag, März 24, 2009

„Soll er halb Georgien einsperren“

Dmitri Alexandrov, Tbilissi
Deutsche Übersetzung eines in der Zeitung Взгляд veröffentlichten Artikels; Originaltitel: «Пусть посадит пол-Грузии»; siehe
http://www.vz.ru/politics/2009/3/24/268311.html

Die Georgischen Massenmedien fahren fort mit der Ausstrahlung von Material, welches die Opposition kompromittieren soll. Im Einzelnen geht es um Verkauf von Waffen und den Versuch eines Staatsstreichs.

Die georgischen Oppositionellen erklären, daß die Staatsmacht im Zusammenhang mit den für Anfang April geplanten Protestaktionen nun massiv gegen sie vorgeht. Am Dienstag fuhr das Innenministerium fort, Aufnahmen zu zeigen, welche die Gegner Saakaschwilis der „staatsfeindlichen Handlungen“ entlarven soll. Diesmal wurde der Schlag gegen die kaum bekannte „Volksbewegung zur Rettung Georgiens“ ausgeführt. Nachdem die Beobachter, noch am gleichen Tag, die anstehende Folge der Seifenoper über die böse Opposition durchanalysiert haben, rätseln sie nun herum, wen das strafende Schwert am Mittwoch treffen wird

Wenn am Montag als zentrale „Helden“ die Waffenkäufer aus der Partei „Demokratische Bewegung Einiges Georgien“ (unter dem Vorsitz der ehemaligen Parlamentssprecherin Nino Burdshanadse) fungierten, so trat am Dienstag eine im Lande fast unbekannte Organisation in den Vordergrund: die „Volksbewegung zur Rettung Georgiens“, welche bei alledem fürwahr napoleonische Pläne hatte.

Zum Beispiel: Dutzende von Oppositionellen zu bewaffnen, um mit ihrer Hilfe das Parlament, das Fernsehen und weitere wichtige Objekte zu besetzen und letztendlich einen Staatsumsturz durchzuführen.

Wie auch am Vortag war auf den Videoaufnahmen zu sehen, wie die Verschwörer Waffen kaufen oder um den Preis von Pistolen, Maschinenpistolen, Panzerwesten verhandeln. In diesem Zusammenhang wurden Malchas Gwelukaschwili und Lascha Tschchenkeli verhaftet, welche von einem kommenden „Volksaufstand“ sprechen.

Die Vertreter der „Volksbewegung zur Rettung Georgiens“ hielten Mahnwache am Gebäude des Georgischen Staatssicherheitsdienstes. Es waren nur wenige Personen, doch Unterstützung hatten sie von den „schweren Kalibern“ der Georgischen Opposition.

Die Generalsekretärin der Bewegung „Für ein geeintes Georgien“ Eka Beseliy schlug der Staatsmacht vor, „halb Georgien einzusperren“, wenn extrem oppositionelle Sichtweisen als Umsturzversuch ausgelegt werden. Der Vorsitzende der Bewegung „Freiheit“, Konstantin Gamsachurdia, ermahnte die Staatsmacht, „das Volk nicht für Idioten zu halten“.

In den führenden oppositionellen Kreisen verspricht man, die für den 9. April in Tbilissi vorgesehene Protestaktion nicht abzusagen, und die von den ausgestrahlten Videoaufzeichnungen bezeichnet man als Fälschung und Piar-Show, mit welcher man bewirken will, daß die Öffentlichkeit an der Opposition verzweifelt.

Wie dem auch sei, die Vertreter der Staatsmacht triumphieren und sind der Ansicht, daß sie nun Trümpfe in der Hand haben. Die Vertreter der dem Präsidenten anhängenden Mehrheit im Parlament drückten am Dienstag dem Innenministerium ihren Dank aus für die Verhaftung der Mitglieder der Bewegung von Nino Burdshanadse. Die Dauer ihrer Inhaftierung wird man ihnen am Abend des 24. März mitteilen; wobei bis jetzt nicht bekannt ist, wie viele Personen genau verhaftet wurden: sieben, acht, neun oder zwölf.

„Das Innenministerium hat professionelle und präzise Arbeit geleistet, indem es das Entstehen eines kriminellen Syndikats verhinderte“, - erklärte der Vorsitzende der Mehrheit, Petre Ziskarischwili. Und einer der Führer der Mehrheit, Georgi Gabaschwili, sagte, die Oppositionellen hätten „das Maß überzogen“.

„Wenn die Leute Maschinenpistolen und Granatwerfer kaufen, so ist das kriminell, und wir bitten die Ordnungskräfte, uns von den Verbrechern zu befreien“, erklärte er auf einer Parlamentssitzung.

Noch am Abend des vorangegangenen Tages erklärte Nino Burdshanadse ihre Bereitschaft, mit den Ermittlungsorganen zusammenzuarbeiten und sagte, daß man ihre politische Organisation gezielt diskreditiert.

„Die durch das Innenministerium ausgestrahlten Materialien müssen von Experten genau analysiert werden; und wir werden auch selbst versuchen, eine unabhängige Untersuchung durchzuführen“, sagte sie. „Ich bin vollständig überzeugt, daß die Beschuldigungen, wir würden einen bewaffneten Aufstand vorbereiten und bewaffnete Einheiten bilden, sich nicht erhärten.“

Und die bekannte Regisseurin Keti Dolidse sagte, sie würde überhaupt solcher Art Video-Anschuldigungen nicht trauen. Wobei in der Georgischen Öffentlichkeit man zu der Sichtweise neigt, daß sowohl die Staatsmacht als auch die Opposition alles tun müssen, um die Situation unter Kontrolle zu halten und es nicht zum Bürgerkrieg kommen zu lassen.

Fast jede Stunde strahlt die Staatsmacht über die nationalen Fernsehkanäle Video-Beweise gegen die Opposition aus. In der Öffentlichkeit schafft man einen gewissen Hintergrund zu den bevorstehenden Aktionen der Opposition, welche als Tribüne nur zwei kleine Fernsehsender zur Verfügung hat – „Kavkasia“ und „Maestro“.

In der Nacht zum Dienstag sprach im „Maestro“ der ehemalige stellvertretende Innenminister, der Kommandant der Georgischen Grenzpolizei Badri Bizadse (der Mann von Nino Burdshanadse), und erklärte, daß der Präsident Michail Saakaschwili in den machtausübenden Strukturen keine durchgehende Unterstützung mehr findet. Er bemerkte, daß nach dem Augustkrieg Saakaschwilis Autorität in der Armee gesunken ist.

Badri Bizadse ist überzeugt, daß die Armee Saakaschwilis Befehl, die Demonstrationen zu zerschlagen, nicht ausführen wird, und zweifelt, ob die Spezialeinheiten des Innenministeriums ihn ausführen werden. „Es gibt da einen engen Kreis mit dieser Staatsmacht verflochtener Personen, die gefährlich sind; die sind zu beliebigen Provokationen bereit, da sie alle Brücken hinter sich verbrannt haben“, sagte Badri Bizadse. Eben von solchen „Provokationen“ spricht die Opposition, wenn sie die von der Staatsmacht ausgestrahlten Videoaufnahmen kommentiert.

Sonntag, März 15, 2009

Georgisches

Was man von im georgischen Alltag lebenden und leidenden Freunden und Bekannten alles so mitbekommt… Nach außen hin wirkt es derzeit sogar verhältnismäßig ruhig; doch unter dieser verhältnismäßig ruhigen Oberfläche kündigt sich, wenn man sich mit Leuten unterhält, die das alles aus der Nähe mitbekommen (und die man, um sie nicht in Lebensgefahr zu bringen, nicht einmal nennen darf) wüstestes Unheil an.

So wird zur Zeit in Georgien fleißig amnestiert; das heißt, Leute, die bisher in Gefängnissen saßen, werden freigelassen.

Was auf dem ersten Blick sehr edel ist und gut.

Wenn man aber näher hinschaut und sieht, daß es sich bei den Befreiten in allererster Linie um Kriminelle handelt, wird das, was auf dem ersten Blick als edel und gut erscheint, schon eher besorgniserregend.

Und der Gedanke kommt auf: Vielleicht hat dieses Regime wirklich keine andere Stütze mehr als die Kriminellen (der Gedanke kommt noch aus anderen Gründen auf; doch hiervon später, wenn man durch unnötiges Reden niemanden mehr in Gefahr bringt; einige der zur Zeit gefährdeten werden dann, so sie es überleben, wohl auch selber reden).

Wenn man sich schon nicht einmal mehr richtig auf die Armee verlassen kann…

Bleibt nur zu hoffen, daß in der Armee Anständigkeit und gesunder Menschenverstand vorherrscht. Wenn ja, wird die Armee im Falle eines Falles mit diesem Gesindel kurzen Prozeß machen; wenn nicht – riecht es nach Bürgerkrieg.

Ob nach allfälliger Klärung der Situation Georgien unter Russischer oder Amerikanischer Hegemonie landet scheint mir unter den obwaltenden Bedingungen eine zweit- oder drittrangige Frage. Ich selbst – und die meisten meiner Georgischen Freunde – würden eine Fortsetzung der Gemeinsamkeit mit Rußland vorziehen; menschlich, kulturell hat man sich jahrhundertelang aufeinander eingespielt, und für Amerika wird Georgien immer nur eine Kolonie sein.

Doch diese Frage ist, wie gesagt, jetzt nicht so wichtig. Wichtig ist, daß die derzeitige Situation ohne Blutvergießen überwunden wird; und hierzu braucht es angesichts der überwogenden Wirrnisse eine starke Hand; ganz egal, ob die von Moskau aus geführt wird oder von Washington aus.

Ohne Moskau oder Washington (oder noch besser: beide gemeinsam: um, wie es sich für Staatsführungen schickt, ohne eigene Machtansprüche einfach Unheil zu verhüten) ist da, glaub ich, eh nichts mehr zu machen; nach Beseitigung des gemeinsamen Feindes könnte es passieren, daß die vereinigte georgische Opposition wieder auseinanderrennt, um sich dann untereinander zu kloppen um das Recht, wer die Zukunft Georgiens zu bestimmen hat.

Äußerst unerquicklich, das Ganze.

Freitag, März 13, 2009

Synchronizität


Vor ein paar Tagen kommentierte ich in vorliegendem Blog die sogenannte „Krise“. Beim Erwähnen derjenigen, die trotz des allmählichen Wegfallens der Krücken nicht dazu kommen, sich selbst zu orientieren und gemeinschaftsfähig zu werden, erwähnte ich zunächst, neben dem Abwandern in Kriminalität und den Verstand verlieren, auch noch Selbstmord, Alkoholismus, Amoklauf. Überlegte dann hin und her, ob ich das wohl so stehen lassen kann und befand schließlich, daß es wohl besser ist, das wegzulassen; gehört ja eh alles zur Sparte „den Verstand verlieren“; einfach zu makaber, det alles auch noch extra zu erwähnen.
Es wurde dann aber trotzdem makaber, weilnämlich sich später herausstellte, daß ungefähr um die Zeit, als ich überlegte, ob ich in diesem Zusammenhang den Amoklauf erwähnen soll, im deutschen Winnenden in Zusammenhang mit einem solchen die Hölle los war.
Ob makaber oder nicht: ich vermute, daß das nun immer öfter passieren wird; auch unter den Begüterten und zunächst noch abgesicherten. Bei den nicht abgesicherten passiert es, unter anderem, aus Verzweiflung, weil sie immer weniger Chancen sehen zu einem materiell relativ abgesicherten menschwürdigen Leben; bei den materiell abgesicherten, weil sie unter Umständen trotzdem das Gefühl haben, daß irgendwas nicht stimmt; und wer außer seiner materiellen Absicherung keine Problembereiche sehen kann und somit nicht weiß, wo und wie suchen (höchstens, daß er via psychologische oder psychiatrische Behandlung seinen Seelenfrieden wiederherstellen will), gerät unter Umständen in Verzweiflung und verliert die Kontrolle.
Wir gehen lustigen Zeiten entgegen…
Diesen Text findet man auch in einer Zusammenstellung, die den Titel trägt "Wegmarken auf dem Weg in die Katastrophe"" und die man unter
https://dl.dropboxusercontent.com/u/54042052/KL_Wegmarken.pdf
anschauen und/oder herunterladen kann.
Aus dem Vorspann
"Bewußt bin ich mir, daß zu dem Zeitpunkt, da ich diese Vorbemerkung in den Computer tippe (Ende April 2013), viele Zeitgenossen nicht recht verstehen werden, von welcher Katastrophe hier die Rede sein könnte.
Und im Herbst 2008, als die erste der hier veröffentlichten Notizen zustandekam, waren es zweifellos noch viel mehr.
Doch die Zeiten ändern sich; immer mehr von jenen, die von keiner herannahenden Katastrophe etwas merkten oder merken wollten, werden von deren sich ausweitenden und sich Platz bahnenden Fluten erfaßt oder direkt damit konfrontiert, oder entdecken aus sonstwelchen Gründen, daß irgendwas nicht stimmt."

Donnerstag, März 12, 2009

Aktivitäten der Georgischen Opposition

(für ein paar informationshungrige Freunde übersetzte ich nachfolgenden Artikel auf die Schnelle aus dem Russischen ins Deutsche. Für allfällige weitere Informationshungrige sei er hiermit auch öffentlich zugänglich gemacht)

„Entweder Georgien, oder dieses Regime“
Die Georgische Opposition rüstet sich für den zweiten Frühlingsmonat zum entscheidenden Schlag gegen Michail Saakaschwili.

Dmitiri Alexandrov, Tbilissi
Aus der Zeitschrift «Взгляд»; Übersetzung aus dem Russischen; Original siehe
http://vz.ru/politics/2009/3/10/263522.html


Das Datum für den Beginn der Protestaktionen in Georgien ist festgesetzt: der 9. April. Die Gegner des Saakaschwili-Regimes planen, den Angriff auf breiter Front zu beginnen. „Der Präsident kann sich nicht einmal vorstellen, was er für einen Schlag zu gewärtigen hat“, - sagte der ehemalige Minister Georgij Chaindrawa. Er gab zu verstehen: sowohl in der Opposition wie auch in der Umgebung von Saakaschwili ist man sich bewußt, daß mit Amtsantritt von Obama das derzeitige Oberhaupt von Georgien nicht mehr mit vorbehaltloser Unterstützung seitens Washington zu rechnen hat; weswegen ein harter Kampf zu erwarten ist.

Die Vorbereitungstreffen haben bereits begonnen; während der vergangenen Feiertage wurden überall in der gesamten Republik solche Versammlungen abgehalten.

„Die gesamte zivilisierte Welt wartet auf den Tag, da die georgische Gesellschaft auf legalem Wege Michail Saakaschwili in den Ruhestand schickt“ – sagte der einstige Minister für Konfliktbereinigung Georgi Chaindrawa.

Laut seinen Worten bereitet die Opposition sich in solchem Maße ernsthaft vor, „daß der Georgische Präsident sich nicht vorstellen kann, welchen Schlag er zu gewärtigen hat. Der 9. April wird der Rubikon sein: entweder Georgien, oder dieses Räuberregime, “ erklärte Chaindrawa.

Die Opposition wird auf breiter Front angreifen. Der radikale Flügel der „Vereinigten Opposition“ bringt seine Anhänger auf die Straße. Die „Allianz für Georgien“ des einstigen UNO-Vertreters Irakli Alasania sammelt Unterschriften in der Bevölkerung für den Rücktritt des Präsidenten.
Das „Volksforum“ verspricht die Arbeit der staatlichen Strukturen zu blockieren. Die Labour-Partei, die fünf Abgeordnetenmandate hat, versucht, im Parlament ein Impeachment zu organisieren.

Der zur Opposition übergewechselte Chaindrawa hat angedeutet, daß seit dem Regierungswechsel in den USA Saakaschwili nicht mehr auf vorbehaltlose Unterstützung Washingtons rechnen kann.

Um Saakaschwili abzusetzen kann Irakli Okruaschwili aus Paris zurückkehren, der vor einem Jahr in Frankreich politisches Asyl erhielt. Unter jenem Präsidenten, der durch die „Rosenrevolution“ an die Macht kam, hatte Okruaschwili es geschafft, drei Ministerien vorzustehen – dem Innenministerium, dem Verteidigungsministerium und dem Wirtschaftsministerium.

Eben Okruaschwili hat im Herbst in aller Offenheit den Angriff gegen Saakaschwili eingeleitet, welcher dann zum Zusammenschluß der oppositionellen Kräfte führte. Damals, am 7. November, hat die Staatsmacht die Versammlungen brutal zerschlagen, und Okruaschwili gilt bis zum heutigen Tag in Georgien als Gesetzesbrecher.

„Okruaschwili kommt noch vor dem 9. April zurück, wenn in Georgien eine ernsthafte Protestbewegung losgeht“ – versprach Chaindrawa.
Entschlossen gestimmt ist auch Levan Gachechiladse, der Führer der „Vereinigten Opposition“, welcher Saakaschwili und seiner Umgebung insgesamt den Rat gab, „aus dem Land zu fliehen“, um sich zu retten.

„Am 9. April beginnen permanente Straßenaktionen und eine Konsolidierung der Gesellschaft. Schwer zu sagen, wann diese Aktionen zu einem Abschluß kommen, da die Staatsmacht in Georgien nicht adäquat zu reagieren pflegt. Wir werden siegen, aber ich könnte im Moment nicht sagen, um welchen Preis. Saakaschwili hat für seinen Rücktritt einen hohen Preis angesetzt. Es wird Heldenmut brauchen und Beispiele persönlicher Opferbereitschaft, damit Saakaschwili von seiner Macht abläßt, “ sagte Gachechiladse.

Trotz des von der Opposition eingeleiteten Beschusses lehnt die Staatsmacht es kategorisch ab, neue Wahlen anzusetzen, indem sie erklärt, dazu sei unter den derzeitigen in Georgien herrschenden Bedingungen nicht der richtige Zeitpunkt.

Um die Stimmung der Bevölkerung zu sondieren haben die Oppositionellen ihrerseits fünf Tage lang in Tbilissi Unterschriften gesammelt von Menschen, die bereit sind, an den Protestaktionen teilzunehmen. Es kamen 48.347 Unterschriften zusammen. Am 10. März begann die Unterschriftensammlung in der Provinz und wird, bis zum 13. März, in 16 Städten durchgeführt.
Diejenigen, die bereit sind zu zivilem Ungehorsam hinterlassen ihre Namen, Nachnamen und Telefonnummern: damit niemand an ihrer Position zweifle.

Die Zeitung „Resonansi“ befragte 950 Personen bezüglich der Taktik der Opposition gegen den Präsidenten Michail Saakaschwili. Zwei Drittel der Befragten unterstützten die Durchführung der Aktionen als effektivste Methode, 13% sprachen sich für ein Referendum aus, die übrigen – für die Schaffung von Bürgerkomitees, oder waren vorerst noch ohne Meinung.

Eine andere Tifliser Zeitschrift, „Kviris Palitra“, versuchte, den Popularitätsgrad Saakaschwilis festzustellen. 661 Personen nahmen Teil an der Untersuchung dieser Wochenzeitschrift, welche die Frage stellte: Wen oder was kann Georgien zum gegebenen Zeitpunkt als sein würdigstes Wahrzeichen betrachten?

Am höchsten bewertet wurden die Vertreter der Intelligenz (6,49%); an zweite Stelle kamen die Massenmedien (6,11%); an dritter Stelle – die Opposition (5,04%). Der Präsident Saakaschwili kam, mit 2,91%, an siebter Stelle, als vorletzter, vor der Regierung mit 1,25%.
Saakaschwili hat es jetzt nicht leicht. Am Tag vorher ließ man ihn in einem Tifliser japanischen Restaurant nicht in Ruhe Abendbrot essen.

Oppositionelle Demonstranten aus der Bewegung „7. November 2007“ erschienen im Restaurant und skandierten: „Mischa – ins Gefängnis!“ Aufnahmen von dieser Aktion wurden von dem kleinen Fernsehsender „Maestro“ ausgestrahlt. Es war zu sehen, wie die Polizei die Demonstranten auseinanderjagte; doch die lassen nicht locker. Und versprechen die Aktionen fortzusetzen, damit Saakaschwili nicht in Ruhe legen, schlafen und essen kann.
„Der Präsident soll nicht in teuren Restaurants essen, wenn das Land hungert“, sagte der Aktivist dieser Bewegung Dachi Zaguria.

Auch die Staatsmacht bereitet sich auf die Aktionen vom 9. April vor. Die Mitglieder der Spezialeinheiten sind in aktivem Training. Laut Angaben der Medien will man auch die Armee hinzuziehen. Weswegen in Armeekreisen die Unzufriedenheit wächst. Am Dienstag wurden Nachrichten veröffentlicht, laut denen der Verteidigungsminister David Sicharulidse die Absicht hat, sein Amt niederzulegen wegen des Drucks von seiten der regierenden „Einheitlichen nationalen Bewegung“.

In diesen Tagen wurde Wladimir Chachibaja seines Postens als Stabschef enthoben und zum ersten Stellvertreter des Verteidigungsministers ernannt. Als Grund wurden Schritte seitens des stellvertretenden Ministers Bacho Achalai genannt, welcher im Namen der herrschenden Partei sich um die Armeeangelegenheiten kümmert.

Laut Angaben der Medien und von Experten legte Chachibaja sein militärisches Amt eben aus dem Grunde nieder, weil er eine Beteiligung der Armee beim Zerschlagen von Protestaktionen nicht wünschte.

Mittwoch, März 11, 2009

Die Krise


♦♦♦
Die Krise ist da.
Für Journalisten ist das gut, da man endlich mal wieder wat hat, worüber man jeden Tag schreiben kann, um ehrlich seine Brötchen zu verdienen; und auch für das die Massenmedien konsumierende Publikum isses gut, da nach all dieser auswegslosen Sattheit endlich mal ein Grund besteht, sich ehrlich Sorgen zu machen.
Ich selbst mach mir weiter keine Sorgen; für unsereinen, die wir in keine Schubladen reinpassen, wird es vermutlich auch weiterhin mühsam sein, uns durchs Leben durchzuschlagen; aber da man det so gewohnt ist, wird sich für uns denn nicht viel ändern.
Dafür stimmt jene „Krise“ mich eher optimistisch:
Da nämlich nunmehr die Säulen des Gewohnten offenbar nicht mehr so recht tragen wollen, da immer mehr in behaglichem Wohlstandsschlummer vor sich hin vegetierende Zeitgenossen erleben müssen, wie ihnen der Teppich unter den Füßen weggezogen wird – besteht doch immerhin eine leise Chance, daß manche oder gar viele anfangen, all die Selbstverständlichkeiten, in welche sie bislang eingekerkert waren, zu hinterfragen? Daß sie beweglicher werden? Daß sie, statt gedankenlos nachzuplappern, plötzlich anfangen zu denken? Daß darüber alle möglichen Seifenblasen platzen, in glitzerndem Prunk daherstolzierende Könige plötzlich nackt dastehen? Daß die Sicht frei wird und der Wille aufkommt, in echter Gemeinsamkeit sinnvolle Fortsetzungen zu finden?
Könnte doch immerhin sein… Die Mehrzahl unserer „zivilisierten“ Zeitgenossen war offensichtlich nicht willens, die Wände ihres erbärmlichen Behagens zu hinterfragen; dafür schufen sie, befangen in ebenselbigem Behagen, Bedingungen, welche ebendiese Wände nun wohl zerschlagen werden. Det scheint so in der Natur der „Sache“ (die zu ihrem lebendigen Funktionieren, scheint's, auf denkendes und gemeinschaftsfähiges Volks angewiesen ist) zu liegen, daß der aus unselbständigen Menschen sich zusammensetzende soziale „Organismus“ als Leiche früher oder später zerfallen muß.
Wenn nun der Zerfall der gewohnten tragenden Wände und Krücken so weitergeht, werden wohl nicht alle zum Denken kommen; vermutlich werden immer mehr brave ehrliche Bürger, da sie auf „richtig ehrlichen“ Wegen nicht mehr weiterkommen, in ehrlicher Kriminalität weitermachen; andere werden ehrlich den Verstand verlieren; und was es noch alles so gibt.
Aber eine Chance für einen sinnvollen Neuanfang ist immerhin mal gegeben.
Sehen wir denn mal, wie det sich so weiterentwickelt.
Prost
Diesen Text findet man auch in einer Zusammenstellung, die den Titel trägt "Wegmarken auf dem Weg in die Katastrophe"" und die man unter
https://dl.dropboxusercontent.com/u/54042052/KL_Wegmarken.pdf
anschauen und/oder herunterladen kann.
Aus dem Vorspann
"Bewußt bin ich mir, daß zu dem Zeitpunkt, da ich diese Vorbemerkung in den Computer tippe (Ende April 2013), viele Zeitgenossen nicht recht verstehen werden, von welcher Katastrophe hier die Rede sein könnte.
Und im Herbst 2008, als die erste der hier veröffentlichten Notizen zustandekam, waren es zweifellos noch viel mehr.
Doch die Zeiten ändern sich; immer mehr von jenen, die von keiner herannahenden Katastrophe etwas merkten oder merken wollten, werden von deren sich ausweitenden und sich Platz bahnenden Fluten erfaßt oder direkt damit konfrontiert, oder entdecken aus sonstwelchen Gründen, daß irgendwas nicht stimmt."