Donnerstag, November 29, 2012

Von den führenden Denkern unserer Zeit

IMG_0359

In freier deutscher Übersetzung das Vorspann eines Artikels bei Polit-online zu dem nicht abebbenden westlichen Pussyriot-Fieber:

„Nachdem die ‚rebellierenden Genitalien‘ sich zu den Höhen des Kandinsky-Preises wieauch des Sacharow-Preises erhoben sahen und die „Time“ sie zur „Persönlichkeit des Jahres“ nominiert hatte – da hielten auch die Nerven der Zeitschrift ‚Foreign Policy‘ nicht mehr stand, und sie gesellte mit machtvoller Geste die dreie zu den 100 führenden Denkern unserer Zeit.“

Daß die Pussyriots für jene wohlgesonnenen westlichen Bürgersleut‘, die sich als Krone des Weltenfortschritts sehen, zunehmend die Spitzen des Weltenruhmes erklimmen werden, war vorauszusehen; denn immerhin entsprechen sie in ihren Grundzügen genau dem Profil der westlichen ‚Promis‘ und bieten zudem eine herrliche Gelegenheit, den ‚bösen Russen‘ am Zeug zu flicken.

Daß – nicht die ‚Russen‘, aber die in Rußland über Macht verfügende Kreise – alles dransetzten, mit dem Aufhebens um diese drei leicht verwirrten Mädels sich lächerlich zu machen, ist auch für weniger wohlgesonnenes im Westen basiertes Volks nicht zu übersehen; und daß die dreie nicht ins Gefängnis gehören, dürfte auch klar sein.

Und genauso ist nicht zu übersehen, daß diese Rußland beherrschende Machtclique einen – vielleicht sogar beabsichtigten? – Beitrag geleistet hat zu einem weiteren Verblödungsschritt der wohlgesonnenen sich als Krone des westlichen Fortschritts sehenden westlichen Bürgersleut‘.

Obwohl es fast schon keinen Unterschied mehr ausmacht, ob sie die drei verwirrten Mädels zur Krone der zeitgenössischen Denkergarde hinzugesellen oder nicht; det iss alles gehopst wie gesprungen, und ein klein wenig mehr oder klein wenig weniger blödsinnig ist vor dem Hintergrund der allgemeinen Lage der Dinge eigentlich egal.

So isses.

Mittwoch, November 21, 2012

Aus dem Umfeld des Pussyriotismus

20080227-IMG_2511

(In leichter Überarbeitung ein paar noch immer aktuelle Notizen, die ich in den Anfängen des Pussy-Riot-Syndroms bei Facebook hinterließ)

In den russischen „Isvestija“ stieß ich auf einen Bericht, dessen Zusammenfassung in deutscher Übersetzung wie folgt lautet:

„Nachdem eine Bewohnerin aus Dolgoprudny [Vorort von Moskau] ihre lästig gewordenen Kinder aus dem Fenster geworfen hatte, wurde beschlossen, in den Schulen Spezialunterricht einzuführen. Und zwar sollen den Schülern aus den Moskauer Vororten Geistliche über familiäre Werte erzählen.“

Bei jemandem (wie zum Beispiel bei dem Verfasser vorliegender Zeilen), der auf eigene nicht sehr erhebende Erfahrungen mit der hohen Geistlichkeit zurückblicken kann und in den letzten Tagen zudem die tragikomischen laufenden Berichte zum Pussy-Riot-Prozess mitverfolgt, wo die russische Staatsmacht mitsamt der mit ihr verflochtenen Kirchenmacht in wirrer Willkür alles dransetzen, sich lächerlich zu machen – kann eine solche Nachricht als Anregung dienen zu durchaus humoristischen Assoziationen.

Vorstellen kann man sich zum Beispiel, wie da so ein frommer bekutteter Mensch vor der Klasse steht und den verblüfften Schülern erzählt, daß Kinder von Gott sind und daß man sie deshalb nicht zum Fenster hinauswerfen soll; und solches und ähnliches mehr.

Und allen Ernstes stellt sich die Frage: Wird nach dieser Pussy-Riot-Getue in Rußland überhaupt noch ein intelligenter Mensch in der Lage sein, das kirchliche Getue ernstzunehmen?

Selbst hab ich übrigens nichts gegen Kirchenleute; ganz egal welcher Couleur: soll jeder nach seiner Façon selig werden; und warum soll es nicht Menschen geben, welchen dieses Kirchliche etwas gibt für ihre Entwicklung.

So lange hab ich nichts gegen sie, als sie sich anständig benehmen. Wo sie aber das seelische verlassen und mit Hilfe weltlicher Macht allerlei Unfug und Unheil anrichten – hört der Spaß auf. Oder – günstigstenfalls – wird’s komisch.

Det iss alles recht kompliziert und vielschichtig. Auch der Kommunismus der Sowjetzeit war, meinem Eindruck nach, von unreflektierter wirrer Metaphysik durchsetzt. Später, nach dem Fall der Sowjetunion, kam das dann deutlicher zum Vorschein. In den neunziger Jahren hatte ich, ganz aus der Nähe, in Rußland mit ein paar Blättern zu tun, die ein wirres Amalgam boten aus Stalinismus und orthodoxem „Christentum“. Einer der Autoren, mit dem ich öfter zu tun hatte, sagte mir, daß Stalin direkt mit Gott in Verbindung stand.

Zunächst scheint man zur Zeit auf die orthodoxe Kirche als demagogisches Machtmittel zurückgreifen zu wollen; das funktioniert ja auch. Und die orthodoxe Kirche hat – entgegen anderslautenden Beteuerungen – durchaus jahrhundertlange Erfahrung darin, im Verein mit der Staatsmacht die Menschen zu unterdrücken. Vielleicht nicht ganz so extrem die die katholische Kirche; aber in der Hinsicht ist sie doch sehr katholisch. Man denke nur an die Altgläubigenverfolgungen, die damit zusammenhängende Belagerung des Solowjetzi-Klosters mit anschließendem Gemetzel; und so manches andere.

Irgendwie scheint da sehr vieles untereinander zusammenzuhängen; man müßte das genauer untersuchen.

Noch ein paar Worte zu den „Pussy Riots“: Die Mädels scheinen über ein gewisses geistiges Potenzial zu verfügen; sind halt noch sehr jung und haben sich etwas verheddert. Unter anderem in den westlichen „Werten“, nach denen sie gierig grabschen. Es ist, leider, tatsächlich so, daß begabtere Russen dazu neigen, den Westen zu idealisieren und sich von dort ihre „Werte“ zu holen. Und die bedauerliche Tatsache, daß der „Westen“ mit sich selbst nicht zurechtkommt und außer Mist kaum was zustandebringt, trägt auf solchem Wege denn auch zur Verstärkung des Durcheinanders in Rußland bei.

Und die gelegentlich behandelte Frage, ob das Pussy-Riot-Umfeld von entsprechenden westlichen Stellen finanziert wird, erscheint mir vor solchem Hintergrund zweit-oder drittrangig oder sogar bedeutungslos. Der Westen hat solches gar nicht nötig; er braucht nur sein eigenes Durcheinander zu fördern; und nach Rußland verpflanzter im Westen veranlagter Unfug wird – wie die Erfahrung zeigt – dort ganz automatisch auf die Spitze getrieben.

So isses.

Mittwoch, November 14, 2012

Vom Anderssein

„Der springende Punkt um in Erinnerung zu bleiben ist nicht, zu sein wie alle anderen, sondern aus der Reihe zu tanzen“

(zufällig erblickte Facebook-Statusmeldung)

Eben det iss der springende Punkt: aus der Reihe tanzen, um in Erinnerung zu bleiben.

Und sich dabei noch einbilden, man bewege sich mit seinem „Anderssein“ außerhalb des Mainstream, während man in Wahrheit und Wirklichkeit durch seine Eitelkeit nur noch tiefer hineingezogen wird.

Unbewußt sich einmischende Eitelkeiten vernebeln die Motivation…

Ganz was anderes ist, wenn man, rein um der Sache und der Gedanken willen, Gedanken ausformuliert und sich um Dinge kümmert, die zufällig vom „Mainstream“ nicht anerkannt werden. Solches kann, im Gegensatz zum „Andersseinwollen“, übrigens recht unerquicklich und mühsam sein.

Wer bloß „anders sein“ will – dem geht es darum, bewundert und erinnert zu werden. Wem es um die Gedanken und um die „Sache“ geht – der möchte verstanden werden.

Unhinterfragt ein gezielt aufgesetztes „Anderssein“ bewundern ist natürlich viel einfacher, als ein unfreiwilliges gedankengetragenes „Anderssein“ zu verstehen.

Die effektvolle eitelkeitsgetragene „Andersartigkeit“ erreicht von jeher genau das Gegenteil dessen, was sie anzustreben vorgibt: nämlich eine Festigung des „Mainstream“, indem durch leichtverdauliche glitzernde Illusion von Fortschritt die Abwehr gegen eigene Anstrengung fordernden realen Fortschritt verstärkt wird.

Mögen wir uns denn, jeder für sich, von Fall zu Fall jeweils gnadenlos Rechenschaft ablegen, warum wir aus der Reihe tanzen wollen. Und wenn wir merkten, daß wir tatsächlich aus der Reihe tanzen wollen – uns besser um was anderes kümmern.

So isses.

Montag, November 12, 2012

Auf dem Weg zu sich selbst

Einleitend sei gesagt, daß der Vorsatz, „zu uns selbst zu finden“, außer Wortemachen und Sentimentalitäten meist nicht viel bringt. Real umschrieben vielleicht so: müde des von „außen“ übernommenen illusorischen Halts durch Dogmen und Programme – inmitten des allgemeinen Gewusels “in sich selbst” eine reale Stütze suchen.

Nennen wir es aber mal abkürzenderweise „unterwegs zu uns selbst“; iss ja egal, wie man’s nennt...

Auf jenem vielbeschworenen „Weg zu uns selbst“ also – so wir ihn denn real nehmen und nicht als abstraktes Lippenbekenntnis – stoßen wir sofort auf ein ganz gewichtiges Hindernis:

Auf die halbbewußte Angst nämlich vor der Einsicht: Wie wenig wir eigentlich klar, evident, mit eigenen Mitteln durchschauen. Im Vergleich zu dem gewohnheitsmäßig mitgeschleppten Anerzogenen, Angelesenen iss det schon extrem wenig.

Was natürlich zunächst sehr unangenehm ist.

Wenn wir uns nun dieser Angst stellen und klar Schiff machen – wird sie immer weniger; nach und nach kommt man dahin, sich zu orientieren, was man selbst sieht und versteht und was nicht.

Und die Scheu, sich selbst und anderen einzugestehen, daß man etwas nicht versteht, nicht erfaßt – löst sich auf, und macht den Platz frei für – wie langsam auch immer sich entwickelndes – reales Erkennen.

Wo man selbst noch nicht durchblickt, nimmt man das Angelesene, Anerzogene als Krücke; doch macht man das nun bewußt, während man vorher die Krücken mit den eigenen Beinen verwechselte.

Wer sich dieser Angst nicht stellt – ja nun, der bleibt halt in dem stecken, was wir andernorts als „absoluten Wahnsinn“ charakterisiert haben; ganz egal, mit welchen Dogmen er sich über sein Stagnieren hinwegschwindelt (und das Feld der Dogmenherrschaft ist weiter gefächert als man glaubt).

So isses.