Montag, April 11, 2016

Im Kampf gegen Störenfriede


♣♣♣


Wer aus realer eigener Überschau Neues schafft (egal ob Technik, Literatur, Weltbetrachtung oder was sonst auch immer) verstößt gegen die gewohnten Alltagsvorstellungen des braven Bürgers und ist somit erst mal draußen. 

Das ist schon seit langem so.

Allerdings ist in unseren fortschrittlichsten aller Zeiten der Schutz gegen solche Störenfriede wesentlich fortschrittlicher als früher.

Als wichtiges und sehr fortschrittliches Element in diesem Schutzwall haben wir den alleinseligmachenden bürgerlichen Arbeitsbegriff, laut welchem als Arbeit nur eine solche Tätigkeit oder eine solche vorgetäuschte Tätigkeit zu bezeichnen ist, die in irgendwessen Auftrage geschieht und für die man bezahlt wird. Alles andere ist Hobby und somit nicht ernst zu nehmen. 

Und im Weiteren hat der Fortschritt, zu unser aller Besten, kulturelle Entwicklung weitgehend durch Nachahmen von kultureller Entwicklung ersetzt. Vom gewohnten Alltagsbreie Abweichendes kann unter diesen Bedingungen nur dann akzeptiert werden, wenn es sich um vom Willen zum Originellsein getragenes Operieren mit äußeren Formen handelt, ganz ohne schädlichen und gefährlichen Inhalt. Und wer gar mit Hilfe geschickter Imagemaker sich ans Schneidern von „des Kaisers neuen Kleidern“ macht – der kann es unter Umständen zu was bringen. Hauptsache, es iss nix dahinter.

Und da im Zuge dieser fortschrittlichen Entwicklung des Nachahmens von Entwicklung unsere Zeitgenossen in ihrer Mehrzahl völlig inhaltsblind wurden (manche sind ja nicht einmal mehr in der Lage, komplexere Sätze – die beim Zumausdruckbringen komplexerer Inhalte notgedrungen manchmal nötig werden – zu überschauen, geschweige denn zu verstehen) ist der Schutz perfekt.

Bei den Hitlers und Stalins wurden Leute, die durch lebendigen Inhalt Leben in die Bude bringen wollten, eingesperrt oder umgebracht. 

Solches ist heute nicht mehr nötig, da gegen das Leben, das sie reinbringen könnten, im Bewußtsein der Zeitgenossen sichere Wälle geschaffen wurden.

Mögen sie denn, unseren Fortschritt anstaunend, unbehelligt vor sich hin leben.

p.s. Zwei zeitnahe Berichte aus den Anfängen der Entwicklung unseres fortschrittlichen Schutzwalls:




 ♦♦♦
 So isses

 
 

Samstag, März 19, 2016

Von Lebenden und Verstorbenen

♠♠♠


Wie ich beim Überfliegen der Schlagzeilen sehe, ist in Deutschland ein Politiker verstorben; und nun werden, in süßlichem Schmalze aufbereitet, seine Sprüche dargereicht, die zu Lebzeiten, teils wohl zu Recht, kaum jemand ernst nahm oder höchstens mit tadelndem Hintergrund zitierte. 

Iss aber egal.

Nicht, daß ich keinen Respekt hätte vor Verstorbenen; hab ich schon. Aber Tag für Tag sterben, einfach so oder durch Gewalt, so viele Leute, daß man die gar nicht alle kennen kann. Und auch besagten verstorbenen Politiker kennt kaum jemand. 

Nun gut; man konnte ihn regelmäßig im Fernsehen sehen, konnte über ihn in der Zeitung lesen; doch dies bedeutet doch aber nicht, daß man ihn kennt? Oder? 

Zwar kann man auch jemanden kennen, kann eine gewisse Beziehung zu jemandem haben, den man nie getroffen hat, aber mit dessen Gedanken man sich auseinandergesetzt hat oder auseinandersetzt; doch sind das dann starke, ausstrahlende Persönlichkeiten.

Wasletzteres man von den meisten heutigen Politikern und sonstigen „Promis“ wohl kaum sagen kann. Blasierte Karriereleute sind das meist und keine Persönlichkeiten. Daß sie berühmt sind, daß sie im Zuge ihres Karrierestrebens an exponierte Stellen kamen, daß sie über gewisse Macht verfügten bedeutet doch nicht, daß da persönliche Kraft und Aufrechte dahintersteckt. Waren halt im richtigen Moment an den richtigen Hebeln, mit deren Hilfe sie sich in die entsprechenden Positionen bringen konnten. Mit Persönlichkeit und Aufrechte hat das nix zu tun.

Und wenn sie dann tot sind, nimmt man zur Kenntnis, daß sie berühmt waren und dadurch auch wichtige Persönlichkeiten, und wird entsprechend feierlich.

Natürlich Blödsinn.

Lassen wir ihn, den Armen, denn in Ruhe und stören ihn nicht durch irgendwelches süßliche Schmalz, im nachtodlichen Leben sich mit dem Unfug, den er in seiner Blasiertheit angerichtet hat, auseinanderzusetzen. 

Wenn man det so sagen darf.

So isses.


Sonntag, Februar 21, 2016

Vom unhinterfragten Kaputtmachenden



(Obiges Zitat wurde auf Facebook herumgeteilt, aufdaß man es weiter teile. Ich verteile es denn auch weiter; selbst auf die Gefahr hin, daß mein Kommentar nicht ganz im Sinne des Zitierers sein könnte)


 ♣♣♣

Nimmt man obiges Zitat absolut, so wird es selbst zur überall Verschwörungstheorien sehenden Verschwörungstheorie.

Geht man aber mit offenen Augen durch die Welt, so merkt man, daß es genügend Situationen gibt, mit denen der Einzelne nicht fertig werden kann (oder höchstens in dem Sinne fertig werden kann, als es ihm mehr oder weniger gelingt, im äussersten materiellen Elend oder im physischen Untergang seine Würde zu wahren).

Leicht wird übersehen, daß der Mensch ein soziales Wesen ist; das heißt: daß er in einem sozialen Zusammenhang lebt mit vielgestaltigen gegenseitigen Abhängigkeiten. Besonders dann kann man das übersehen, wenn man zu gut in einem sozialen Zusammenhang integriert ist, als daß man gedrängt sein könnte, etwas zu hinterfragen.

 ♦♦♦

Ein unhinterfragtes soziales Gebilde kann, aus den verschiedensten Gründen, degenerieren; und zwar bis zu einem solchen Grade kann es degenerieren, daß Einzelne oder Gruppen von Einzelnen ins materielle Elend oder gar in die physische Vernichtung abgeschoben werden.

Oftmals werden die solcherart Abgeschobenen in der öffentlichen Meinung sachte ihres Menschenstatus beraubt; so daß denjenigen, die nicht direkt betroffen sind, jenes Elend nicht so sehr auffällt; oder auch – wenn es allzu doll getrieben wurde – daß sie erst später, wenn alles vorbei ist, merken, daß irgendwas nicht so ganz stimmte.

Waren etwa die Menschen, die man während jenes tausendjährigen Reiches im Warschauer Ghetto zusammenpferchte, Verschwörungstheoretiker? – Natürlich; viele gingen mit ihren eigenen Gehwerkzeugen ins Ghetto und blieben dann auch drinnen. Das ist sicher richtig. Aber diejenigen, die mit ihren eigenen Gehwerkzeugen da reingingen, gingen rein, weil man sie sonst hineingeprügelt oder hineingetragen hätte. Und drinnen blieben sie, weil man sie, wenn sie hinausgegangen wären, zurückgeprügelt oder erschossen hätte. – Nun, natürlich konnten sie wählen; ist klar.

Und auch die Leute, die während jenes tausendjährigen Reiches in den Gaskammern vergast wurden, gingen meist mit eigenen Beinen da rein. Nun gut; meist sagte man ihnen nicht, daß das Gaskammern sind; aber so oder so zwang man sie, reinzugehen; und man verschwieg nur den Zweck jener Räume, damit es zu keiner den ordnungsgemässen Ablauf störenden Panik komme. Aber ohne äußeren Zwang hätten diese Leute jene Örtlichkeiten, unabhängig von deren faktischen Funktion, nicht aufgesucht.

Man mag erwidern, das sei zu extrem, als daß es als Beispiel für das Gemeinte geeignet wäre.

Natürlich isses extrem; aber da es das auch in weniger extremen Situationen sich austobende Wesen der Sache griffig zum Ausdruck bringt, isses als Beispiel unbedingt geeignet.

Was ist mit denjenigen, die man ins materielle Elend abschiebt, ohne daß sie noch etwas dagegen tun könnten? Die man unsinnigen bürokratischen Schikanen aussetzt? Die man in kritischen Situationen solcherart im Stich läßt, daß sie rein gar nix mehr tun können?

Ob man’s glaubt oder nicht; aber sowas gibt’s tatsächlich.

♦♦♦

Der Mensch aber, der solcherart in einen sozialen Zusammenhang eingebunden ist, daß er keine Not leidet und ihm die zerstörerischen Gewalten – zumindest zunächst – nichts anhaben können und den auch nichts drängt, die Untergründe seiner Sicherheit zu hinterfragen – nun gut, der kann halt diejenigen nicht verstehen, die durch das ihm – zumindest zunächst noch – wohlgesonnene Sozialgefüge zugrundegerichtet werden.

♦♦♦
"... doch am schlimmsten ist die satte Sicherheit", wie jener Martin Luther in anderem Zusammenhange mal sagte.


♦♦♦

♦♦♦