Freitag, Oktober 01, 2010

Leben im Ghetto

Aus den längst vergangenen Tagen des Warschauer Ghettos:

„Armbindenverkäufer gab es auch von Tag zu Tag mehr. Sie zeigten eine große Vielfalt von Produkten. Da gab es billige Papierarmbinden, praktische Zelluloidarmbinden, die man waschen konnte, und Luxusbinden aus Satin, mit dem Judenstern in nachtblauer Seide darauf gestickt. Man konnte Einkommen und Status eines Menschen fast aus der Armbinde erschließen, die er trug.“

(Janina David: Ein Stück Himmel)

[selbst auf die Gefahr hin, daß jemand sich wiedererkennen sollte (doch wer soll sich schon wiedererkennen; wer gemeint ist, ist zu denkfern, als daß er was bemerken könnte): der Grundcharakter des Geschilderten ist nicht auf das längst aufgelöste Warschauer Ghetto beschränkt; genau das Gleiche findet sich unter anderem auch in heutigen, besser ausgestatteten Ghettos, die teilweise zu sehr durch Wohlstand maskiert sind, als daß man sie auf Anhieb als Ghettos erkennen möchte; wie ja, eben, auch manche Bewohner des Warschauer Ghettos in eine durch Prestigedenken geprägte Scheinwelt flüchteten, ohne den Abgrund, der sie demnächst verschlingen sollte, zu beachten]

 

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1 Kommentar:

Raymond Zoller hat gesagt…

Diesen Text findet man auch in einer Zusammenstellung, die den Titel trägt "Wegmarken auf dem Weg in die Katastrophe"" und die man unter https://dl.dropboxusercontent.com/u/54042052/KL_Wegmarken.pdf anschauen und/oder herunterladen kann.

Aus dem Vorspann:
"Bewußt bin ich mir, daß zu dem Zeitpunkt, da ich diese Vorbemerkung in den Computer tippe (Ende April 2013), viele Zeitgenossen nicht recht verstehen werden, von welcher Katastrophe hier die Rede sein könnte.
Und im Herbst 2008, als die erste der hier veröffentlichten Notizen zustandekam, waren es zweifellos noch viel mehr.
Doch die Zeiten ändern sich; immer mehr von jenen, die von keiner herannahenden Katastrophe etwas merkten oder merken wollten, werden von deren sich ausweitenden und sich Platz bahnenden Fluten erfaßt oder direkt damit konfrontiert, oder entdecken aus sonstwelchen Gründen, daß irgendwas nicht stimmt.
"