Man soll nicht immer „den anderen“ die Schuld geben. Hört man immer wieder.
Wer brav in unhinterfragten mehr oder weniger funktionierenden Strukturen vor sich hin lebt und die „weite Welt“ nur aus Erzählungen kennt – dem bleibt mitunter unverständlich: daß es Situationen geben kann, in denen man ohne Unterstützung aufgeschmissen ist und wo auch fromme Predigten über Menschheitsfortschritt nicht weiterhelfen. Man ist ganz real auf „Andere“ angewiesen; und wenn diese „Anderen“ sich in ihrer abgeschlossenen Welt mit frommen Predigten gemütlich machen und für alles andere kein Interesse haben – dann passiert es halt, daß hoffnungsvoll Begonnenes untergeht, mitunter zusammen mit den Initiatoren. Oder auch, daß sinnvolle Ansätze gar nicht erst richtig zustandekommen und bereits „in statu nascendi“ auseinanderfließen.
Es gibt Situationen, da nützen alle Fähigkeiten, alle Charakterstärke nix: Der Mensch ist aufgeschmissen.
Was interessierte den SS-Mann, der eine Gruppe Verdammter in die Gaskammer dirigierte, ob da irgendwelche darunter sind, die irgendwelche Bücher geschrieben haben, mal zu irgendwelchen Nobelpreisen nominiert waren, oder generell vielleicht ganz andere Lebensaufgaben hätten, als nun in der Gaskammer zu verrecken? Interessierte ihn nicht; basta.
Was heißt hier: man soll nicht immer den „Anderen“ die Schuld geben? Es waren die „Anderen“, die diese Menschen in die Gaskammern dirigierten; von sich aus wären sie da nicht hineingegangen.
Und was für diese griffige extreme Situation gilt, gilt genauso für viele andere Situationen; auch wenn viele es nicht wahrhaben wollen.
Was ist mit den anonymen Massen, die in Deutschland via Hartz4 in ein neues Untermenschentum abgedrängt werden? Was können die noch tun? Nix können sie tun. Vereinzelte schaffen es vielleicht; aber auch nur dann, wenn sie in ihrem Umfeld ein paar „Andere“ haben, mit denen sie sich zusammentun können.
Es geht da auch gar nicht darum, mitleidsvoll von oben herab Nächstenliebe walten zu lassen und irgendwelchen Armseligen mit Almosen auszuhelfen.
Wie Goethe richtig sagt:
„Einer allein hilft nicht; es hilft, wer sich mit vielen zur rechten Stunde verbündet“
Das ist etwas anderes als fromme Predigten. Doch dazu braucht es Wahrnehmungsfähigkeit und über die engen vier Wände hinausgehendes Interesse.
Fromm Predigen iss natürlich einfacher; da braucht man das alles nicht.
Bloß bringt es nix
Doch die Lage ist nicht aussichtslos.
Da die unhinterfragte tragende Strukturen unübersehbar am Kaputtgehen sind, werden auch viele von diesen autistischen Predigern nach und nach die Chance bekommen zu lernen: daß sie ohne „die andern“ nix machen können.
So isses
1 Kommentar:
Dieser Text entstand in der Folge einer recht vergnüglichen Diskussion. Zusammen mit einer kleinen Ergänzung, einer Zusammenfassung besagter vergnüglicher Diskussion sowie dem die Diskussion ausgelöst habenden Material findet man ihn, außer an diesem Orte, noch in einer PDF-Datei mit dem Titel "Von Menschen und Strömungsaggregaten", welche man unter https://dl.dropboxusercontent.com/u/54042052/Menschen_und_Aggregate.pdf anschauen und/oder herunterladen kann.
Es geht da um ein im Jahr des Heils 2001 hoffnungsvoll begonnenes georgisch-schweizerisches Projekt, welches auf vergnüglich zu verfolgenden absurden Wegen im Sande verlief.
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