Mittwoch, März 14, 2012

Am Beispiel der Wulffiade skizzierter Umriß einer der Schaffung harrenden Metapromik,

Chrino
Zufällig entdeckte ich auf meiner Festplatte einen zur Zeit der auslaufenden Wulffiade getippten Entwurf, den ich, obwohl die Wulffiade inzwischen schon der Vergangenheit angehört, trotzdem veröffentlichen möchte, weilnämlich keimhaft darin enthalten ist die Entwicklung einer Wissenschaft über die Hintergründe des Promikultes – der sogenannten Metapromik – und weil ich in unserer – auch so natürlich recht fortschrittlichen Zeit – eine solche Wissenschaft für unverzichtbar halte.
Also denn:
Man kuckt sich so an, was in der Welt vor sich geht, und mag schon gar nichts mehr dazu sagen.
 Was die Deutschen da für ein Gewulffe treiben iss, zum Beispiel, lebendige Satire.
Dieser Wulff iss einfach ein braver Durchschnittsbürger; nicht besser und gescheiter, aber auch nicht schlechter und dümmer als andere brave Durchschnittsbürger; und gleich allen anderen nutzt er zu seinem Vorteile, was sich irgendwie nutzen läßt; innerhalb der Grenzen des gesetzlich erlaubten und manchmal auch ganz leicht außerhalb (das „Recht, das mit uns geboren“ wollen wir da weiter nicht in Betracht ziehen, da von dem, wie Goethe schon richtig anmerkte, eh „nie die Frage“ ist und man gemeinhin das „Gute“ mit Beachten der geschriebenen staatlichen Gesetze gleichsetzt).
Daß das Leben ihn, diesen Wulff, in Umstände hineinführte, die mehr Nutzbares boten als die Umstände, in denen andere brave Durchschnittsbürger zu leben haben, ist nicht seine Schuld; und er nahm, was im Rahmen der Gesetze - und vielleicht auch mal leicht darüber hinausgehend - sich nehmen ließ. Genau wie auch andere, die durch das Leben in solche besser bestückte Gefilde geführt werden, dieses Mehr nutzen; und warum sollten sie - im Sinne der Moral des braven Durchschnittsbürgers – es nicht nutzen? Und so sie nicht allzusehr die durch die geschriebenen Gesetze abgesteckten Grenzen überschreiten, wird kaum jemand ihnen das zum Vorwurf machen. Und selbst wenn sie sie allzusehr überschreiten kommen sie nicht selten ungeschoren davon, da sie in diesen Gefilden meist in gutem Einvernehmen leben mit den Gesetzeswächtern.
Im Vergleich zum Verhalten mancher seiner Standesgenossen war das Verhalten dieses Herrn Wulff – wie mir scheint – eher harmlos; und unverständlich ist mir nach wie vor, warum man dann ausgerechnet um seine Person ein solches Theater veranstaltete. Zwischendurch kam mir sogar der Verdacht: ob da nicht einfach einige Presseleute ihre Macht ausprobieren wollten? – Doch wie dem auch sei und aus was für Gründen auch immer: Um die Person dieses Herrn Wulff wurde eine ganz gewaltige Massenhysterie entfacht; und herbeigeschleppt wurde alles, bis zu den geringsten und lächerlichsten Kleinigkeiten, was ihm in irgendeiner Weise zum Vorwurf gereichen konnte.
Einiges mehr oder weniger Handfeste wurde dann in diesem Wirbel doch hochgeschwemmt (daß man bei den meisten seiner ungeschoren gebliebenen Kollegen und Kolleginnen bei entsprechendem Nachforschen vermutlich ähnliches und auch gewichtigeres finden würde soll uns mal weiter nicht beunruhigen); und  schließlich mußte er von seinem Posten zurücktreten.
Und nun beginnt der zweite Teil der Satire.

Es kamen also griffige, handfeste Verfehlungen zum Vorschein.
Und – als ob nichts wäre und als ob alles seine Ordnung hätte, wurde dieser Mensch, dieser brave Durchschnittsbürger ohne besondere Charakterstärke und ohne besondere Fähigkeiten, den irgendwelche Umstände an einen Ort geschwemmt hatten, welchen der brave Durchschnittszeitgenosse als etwas Olympähnliches erlebt, von seinem Olymp zwar vorzeitig, aber doch in allen Ehren, mit großem Zapfenstreich und großem Ehrensold entlassen.
Was vor dem Hintergrund unserer zeitspezifischen Promi-Verehrung vor allem in jenem Lande, das fast schon Weltmeister ist in vorbehaltloser Promi-Verehrung, zunächst mal ein teilweise ganz normales Geschehen ist.

Denn immerhin muß man berücksichtigen:
Daß nämlich der Mensch von heute im Allgemeinen einerseits den Kontakt zum „Übernatürlichen“ verloren hat; daß er aber andererseits etwas Probleme hat, so ganz ohne Götter auszukommen.
Deshalb schaffte er sich einen neuen Olymp, den er mit sogenannten „Promis“ bevölkerte. Promis sind mit Hilfe künstlicher sozialer Rituale in den Götterstatus erhobene austauschbare Durchschnitts-oder auch Unterdurchschnittsmenschen; Göttergestalten also, die der Verehrungswütige mit Unterstützung von „Imagemakern“ und sonstigen heutigen Medizinmännern nach seinem Bilde und Gleichnis formt; und zu einem solchen Gotte guckt man dann hoch und verehrt ihn oder macht sich auch mal einen Spaß daraus, ihn von seinem Olympe herunterzuschubsen; doch selbst ein vom Olympe heruntergeschubster Promi bleibt immer noch ein Gott, wennauch ein gefallener.
So lange nun der Großteil der Bevölkerung in relativem Wohlstand dahinlebte (und die noch nicht ganz so zahlreichen Landsleute, die es nicht zu Wohlstand gebracht hatten, verächtlich als Versager, Chaoten oder Asoziale beiseiteschob) ließ dieser moderne Götzendienst sich problemlos durchziehen und lenkte das Volk – wie seinerzeit bei den ollen Römern das „panis et circenses“ – von den noch nicht ganz so massiven im Stillen heranreifenden Problemen ab.
Doch nun, da der Wohlstand am Bröckeln ist und immer mehr seine Abwesenheit zu kosten kriegen; da die Realität sich zu massiv bemerkbar macht, als daß irgendein Götzendienst sie noch zur Gänze verdrängen könnte – geht das schon nicht mehr ganz so einfach. Und große Teile der deutschen Bevölkerung fanden es nun nicht mehr so ganz richtig, daß da einer, der sich danebenbenommen hat, nun weiter die seinem Götzenstatus anstehende Förderung erhalten sollte, während sie darben.
Und nach und nach dürfte mit der wohlstandsbedingten Realitätsferne auch der Götzendienst zu bröckeln anfangen; und die einstigen nach eigenem Bilde und Gleichnis geschaffenen Götter erscheinen vor immer mehr Zeitgenossen nackt und in ihrer ganzen Erbärmlichkeit.

 In ehrlichem Hoffen, die in dieser Skizze keimhaft enthaltene Metapromik demnächst aufgreifen und ausarbeiten zu können, aufdaß der Menschheit diese für unsere Zeit so nötige neue Wissenschaft geschenkt werde:


So isses 


Nachbemerkung

Diesen Text findet man auch in einer Zusammenstellung mit dem Titel "Gesammelte Werke zur Wulffiade", die man unter https://dl.dropboxusercontent.com/u/54042052/Wulffiade.pdf anschauen und/oder herunterladen kann.






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