Sonntag, März 16, 2014

Aus dem poetischen Umfeld des Herrn Hoeneß

Tirckl-Wolff

(Als Beitrag zu einer noch zu entwickelnden systematischen Verwertung unverständlicher schriftlicher Äußerungen)

Das Satire-Magazin "Der Postillon" hatte in Zusammenhang mit einigen Problemen, denen in jener Bundesrepublik Deutschland ein gewisser Herr Hoeneß derzeit sich ausgesetzt sieht, einen satirischen Artikel veröffentlicht unter dem Titel: FC Bayern erweitert Allianz-Arena um Hochsicherheitszelle mit Blick aufs Spielfeld.

Im Weiteren veröffentlichte man dann – wie bei jenem 'Postillon' dankenswerterweise üblich – eine Sammlung besonders gelungener Zuschriften.

Darunter war ein auf der Facebook-Seite des Magazins hinterlassener Kommentar, den ein Mensch mit Vornamen Tom verfaßt hatte, und zwarnämlich:

Ihr witzigen Fische mit dem Hoeneß Artikel spaßten hoffentlich findet Mann euch ihr Muschis

Dieser Tom'sche Beitrag zog sofort meine Aufmerksamkeit auf sich, da sein poetisches Potential nun mal nicht zu übersehen war.

Ich tippte denn eine kurze Abhandlung und bat Herrn Ernst Tirckl-Wolff, mein alter ego, es unter seinem Namen auf Facebook zu veröffentlichen:

Find ich gut. Vom Rhythmus und der Lautkomposition her läßt es sich zu einem herrlich blödsinnigen Lautgedicht verarbeiten; nur das 'dem' (fünftes Wort von links) läßt sich nicht unterbringen; das muß man rausschmeißen.

Wenn er so weitermacht bringt er es noch zum Dichter.

***

Ihr witzigen Fische

mit Hoeneß Artikel

spaßten.

Hoffentlich findet Mann euch

ihr Muschis

***

Vom Rhythmus her fast perfekt; der Mann hat das Zeug zu einem bedeutenden Dichter. Nur mit Deutsch scheint er etwas Probleme zu haben; so daß sich natürlich die Frage stellt, in welcher Sprache man ihn von seiner Begabung in Kenntnis setzen soll.

***

(Als Antwort auf eine Zwischenfrage:)

Was passiert, wenn der Herr Mann uns findet? Schwierige Frage. Erst müßte man klären, ob bei dieser poetischen Auflösung das Verb 'finden' die gewohnte Begrifflichkeit beibehält, oder ob es sie durch eine andere ersetzt. Und wenn es sie durch eine andere ersetzt - durch welche? Etwas, das wir schon kennen, oder etwas, das wir erst mühsam erschließen müssen? Oder reduziert sich 'finden' durch des Dichters Einwirkung hier zu einer reinen, begriffslosen, Lautgestalt?

Ein Gewirr schwer zu beantwortender Fragen, in welches dieser Herr Hoeneß und sein poesiebegabter Anhänger uns da hineingeschubst haben

(Zum Abschluß meldete ich mich dann auch selbst noch zu Wort)

Ein sehr wichtiger Ansatz, den du hier verfolgest. Wenn man anfangen würde, systematisch unverständlich bleibende schriftliche Äußerungen unserer Zeitgenossen auf ihre poetische Verwertbarkeit zu untersuchen und auszuschlachten, so hätten besagte Zeitgenossen sich wenigstens nicht umsonst schreibend abgequält; und zudem könnte ein solches Beginnen zu einer beträchtlichen Erweiterung und Vertiefung der Weltliteratur führen.

1 Kommentar:

Raymond Zoller hat gesagt…

EIN PAAR ZUSÄTZLICHE ANMERKUNGEN
In Facebook ist ein Link zu diesem Blogeintrag; und dortselbst gab es ein paar Fragen und Einwände, die zu ergänzenden Anmerkungen Anlaß gaben.
Selbige seien – nach Korrigieren von Tippfehlern und kleinerer Unstimmigkeiten, aber sonst weitgehend unverändert – hier wiedergegeben:

•♦♣♠•
Behandelt habe ich das Thema aus zwei unterschiedlichen Gründen.
Zum einen – weil ich den Beitrag, mitsamt Unmassen ähnlicher Beiträge, so herrlich blöd finde und Lust bekam, die Blödheit in kultivierter Form auf die Spitze zu treiben.
Zum anderen – weil ich durch dieses Blödheit hindurch ein ganz gewaltiges Gefahrenpotential sehe (hierüber hab ich mich an dieser Stelle weiter nicht geäußert, da ich weder mir noch dem Leser zu sehr die Laune verderben wollte).
Denn das sind ja nicht nur ein paar Einzelne, die nicht bis drei zählen können und nicht in der Lage sind, einen zusammenhängenden Satz niederzuschreiben. Und diese Analphabetenheere lassen sich von denjenigen, die sie zu führen verstehen, führen, wohin immer die Führenden sie haben wollen. Oder sie geraten einfach außer Kontrolle: in eine Stampede, wie man das in der Cowboysprache nennt (als Halbwüchsiger las ich gelegentlich Wildwestromane; daher weiß ich das) und trampeln alles kurz und klein. Normaler Sprache, normaler Argumentation sind die kaum noch zugänglich.
Ich erwähnte das nicht; aber ich finde die Quellen, aus denen diese Kommentare zu Postillon-Artikeln und sonstigem gespeist werden, saugefährlich. Könnte man in absehbarer Zeit noch zu spüren kriegen
♦♦♦
Äußerungen aus dem "linken" Lager sind manchmal nicht viel intelligenter; aber doch: intelligenter, da man ohne minimale Denktätigkeit und Formulierungskunst sich da nicht zurechtfinden kann, während für die Nazi-Ecke stumpfsinniger Fanatismus ausreicht. Und auch wo es nicht "politisch" wird – wenn diese Analphabeten spüren, daß es ihrem Wohlstand an den Kragen geht, geraten sie in Panik; und wer sich nicht einem Führer anschließt, läßt sich von zielloser Stampede mitreißen.
Daß die jahrzehntewährende kulturelle Katastrophe in eine massive soziale Katastrophe einmünden wird, war leicht vorauszusehen; mich wundert eher, daß es nicht schon früher anfing, schiefzugehen
♦♦♦
Das ständig wachsende Elend mitsamt Ungerechtigkeit – übrigens auch eine Folge der ratlos und unselbständig und asozial machenden kulturellen Katastrophe – ist nicht zu übersehen. Um aber Elend und Ungerechtigkeit in den Griff zu bekommen und abzubauen und Auswege zu schaffen – braucht es bei jedem Einzelnen Denkfähigkeit und Besonnenheit. Da selbige bei den meisten fehlt dürfte, im Großen und Ganzen, das Aufhören der betäubenden Sattheit nicht zur Besonnenheit anregen, sondern zur Panik.
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Diejenigen, die noch meinen, etwas zu verlieren zu haben, verhalten sich, solang noch ein Schein von Hoffnung übrig ist, ruhig und schimpfen in vereintem Unmut auf diejenigen, die auf die Probleme aufmerksam machen. Bei denjenigen, die bis zuletzt hoffen und nichts sehen wollen, liegt das größte Gefahrenpotential.
Glücklich, wer in diesem Verfall überhaupt noch in der Lage ist für sich die Entscheidung zu treffen zwischen Haß und Blödheit oder Verständnis und Schaffenswillen...
Ich selbst halte mich auch weitmöglichst zurück. Wo ich was zur Sache beitragendes aussprechen kann und den Eindruck habe, daß man zuhört und versteht – spreche ich es aus. Sonst lasse ich es und begnüge mich, so lang es noch geht, mir selbst und einigen wenigen anderen zum Plausche, mit Herumblödeln.