Freitag, April 10, 2009

Weiter: Tbilissi

Diesmal nicht aus „Взгляд“, sondern aus einer soeben aus Tbilissi erhaltenen E-Mail (die Internet-Blockade scheint aufgehoben oder zumindest nicht ganz so dicht):

Heute, wie auch gestern, werden wir am Meeting teilnehmen.

Sehr viele Leute. Kann mich nicht erinnern, sowas erlebt zu haben; von der Oper bis zum Platz der Freiheit [„svodoni“ vermutlich doppelter Tippfehler anstatt „svobody“; wer die Ecke kennt wird mir Recht geben, daß ganz sicher der Freiheitsplatz gemeint war und nix anderes – d.Üb.] alles dichtes Gedränge. Trotzdem macht sich wieder die organisatorische Schwäche der Opposition bemerkbar. Vielleicht reicht der Wille nicht oder die Fähigkeit; und das Volk, so um die 150.000 Personen (das heißt jeder achte Bewohner von Tbilissi – verstehst du, was das für ein Maßstab ist. Aus der Provinz lassen sie die Leute nicht durch; sonst wären es noch viel mehr) ist äußerst radikal gestimmt.

Wenn man die westliche Presse liest, oder mit westlichen Journalisten spricht, von denen es hier jede Menge gibt, kommt man zu dem Schluß, daß der Westen zum wiederholten Male Verrat übt, das heißt diesen Unhold unterstützt (wenn auch nicht ganz so offen wie früher). Alle betreiben sie Augenwischerei mit Worten wie: „Stabilität“, „Russische Bedrohung“, „Oberhoheit des Gesetzes“…

Bis auf den letzten Mann haben diese Journalisten sich in Kindergarten-Pädagogen verwandelt. Bedrückend und ärgerlich…

Und „jener“ hat extrem wenig Anhänger.

Weiter der russische Originaltext (wie man sieht: mit lateinischen Buchstaben; halt kein mit kyrillischer Schrift ausgestatteter Computer in der Nähe…)


segodnja, kak i vchera,budem na mitinge.
narodu ochen mnogo. takogo daje ne pomniu. nachinaia ot operi i konchaia ploshadiu svodoni, vse bitkom nabito. no vse ravno snova brosaetsa v glaza organizatorskaia slabost oppozicii. duxa chto li ne xvataet, ili uma. a narod, gde-to 150 000 chelovek (to bish kajdii vosmoi tbilisec-ponimaesh kakoi masshtab. iz raionov liudei ne puskaoit , a to bilo bi bolshe) nastroen kraine radikalno.
chitaja zapadnuiu pressu, ili razgovarivaia s zapadnimi jurnalistami, kotorix tut prud prudi, prixodish k vivodu, chto zapad v kotorii raz zanimaetsa predatelstvom, a imenno podderjkoi etogo negodjaia (xot i ne tak otkrito kak ranshe). vse zanimaiutsa ochkovtiratelstvom so slovami: "stabilnost", "rossiiskaia ugroza", "verxovenstvo zakona"...
vse kak odin, eti jurnalisti prevratilis v pedagogov detsada. obidno i dosadno.
u "etogo" storonnikov kraine malo.

Donnerstag, April 09, 2009

Laufende Ereignisse in Georgien

Nun gut… Für den Fall, daß es wen interessiert, werd ich zwischendurch, nach Zeit, Lust und Laune aus der laufenden Berichterstattung der Zeitung „Взгляд“ einzelne Nachrichten herausgreifen, übersetzen und allhier veröffentlichen. Laut einer Nachricht von 17.15 ist die versprochene Anzahl von 150.000 Demonstranten offenbar zusammengekommen, und es werden immer mehr. Weiterhin friedlich.

Übersetzen wir mal kuriositäts- und informationshalber die vorangehende Mitteilung. Aus der laufenden Berichterstattung von Взгляд also:

„17:02 (Tiflisser Zeit) Laut „Novosti-Gusia“ erklärte der Führer der politischen Bewegung „Freiheit“ Konstantin Gamsachurdia (Sohn des ersten Georgischen Präsidenten Sviad Gamsachurdia) während des Meetings, daß das Volk mit seinem Protest gegen die „Reste des kommunistischen Systems“ kämpft. Da hat er wohl irgendwie klein wenig danebengegriffen. Saakaschwili hat natürlich sehr viele schlechte Seiten, aber um ihn als Verbreiter sowjetischen und kommunistischen Gedankenguts zu bezeichnen – da muß man sich schon sehr anstrengen… Vermutlich hat Gamsachurdia das Meeting verwechselt und wollte in Kischinjow gegen Woronin demonstrieren. Der Sohn ist für den Vater natürlich nicht verantwortlich; doch der Sprößling des Verfassers eines Mottos wie „Georgien für die Georgier“ sollte bei seinen Erklärungen wohl doch etwas mehr Sorgfalt walten lassen…“

Weiter der russische Originaltext:

17:02 Лидер политического движения «Свобода» Константин Гамсахурдия (сын первого президента Грузии Звиада Гамсахурдия) во время митинга заявил, что своим политическим протестом народ борется с «остатками коммунистической системы», передает «Новости-Грузия». Что-то он как-то перемудрил. Саакашвили, конечно, многим плох, но назвать его проводником советских и коммунистических идей, - это надо постараться. Наверное, Гамсахурдия митинг перепутал – хотел против Воронина в Кишиневе протестовать. Сын за отца, конечно, не отвечает, но отпрыску автора лозунга «Грузия для грузин» надо как-то внимательнее за своими заявлениями следить.

Mittwoch, April 01, 2009

Authentisches

DE_QE_Authentisch

Ein neues Modewort ist mir aufgefallen: Authentizität (ja nu, vielleicht isses auch schon länger in Mode, und es ist mir erst jetzt aufgefallen; kann sein; weiß nur, daß es da ist)

Meines Wissens bezeichnete man das, was man nun mit diesem Modewort bezeichnen möchte, zu früheren Zeiten im Deutschen mit dem Wort „Redlichkeit“.

Im Allgemeinen isses ja so, daß die Redlichkeit zunächst mal durch die Pose ersetzt wurde; das heißt: die Pose wurde in Redlichkeit umbenannt, und die Redlichkeit selbst wurde zur Schrulligkeit. – (Hab ich, unter anderem, mal hier unter unter die Lupe genommen)

Daß man sich nun bemüßigt fühlt, von „Authentizität“ zu reden, deutet doch schon mal darauf hin, daß manche sich in der zum Prinzip erhobenen Unechtheit nicht mehr wohl fühlen und da heraus wollen. – Und so flüchtet man sich denn von der bereits vertrauten gutbürgerlichen Gekünsteltheit in die neue, fortschrittlichere Gekünsteltheit der Authentizität… (Ich meine damit natürlich nicht nur die Gekünsteltheit jenes Modewortes, sondern vielmehr noch die Gekünsteltheit der Haltung derjenigen, die sich mit diesem Modewort schmücken)

Redlichkeit klingt ja eh zu hausbacken; und zudem wäre es gar nicht so einfach, in diesem Geröll aus Surrogaten sich zu echter Redlichkeit durchzufinden.

Drum wird man denn, der Einfachheit halber, authentisch. Klingt ja auch fortschrittlicher…

Eben…

Kakerlake-4784

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