Donnerstag, Februar 24, 2011

Ein Mensch in Not

Марсьёнок

Da hat man doch diesem von vielen als „Lichtgestalt“ betrachteten deutschen Verteidigungsminister den Doktortitel aberkannt.

Eigentlich ein armer Kerl. Man sollte ihm helfen.

Mit Rütteln am Doktortitel fängt's an; vielleicht versucht man anschließend noch, durch irgendwelche Winkelzüge zu beweisen, dass er auch seinen Adelstitel zu Unrecht trägt; und zum Schluss kriegt er vor lauter Kummer Haarausfall und setzt Fett an; und was bleibt dann noch übrig? Für das Publikum, im Hinblick auf welches er zur "Lichtgestalt" aufgebaut wurde, wohl gar nix.

Und dann soll es sogar Leute geben, die sich weder durch Doktor- noch Adelstitel beirren lassen und auf welche auch geschliffenes Äußeres keinen Eindruck macht; die einfach nur auf das schauen, was einer ist und was er kann. Von denen kann er, der arme Kerl, sowieso nix erwarten; die werden sagen, er soll bei der Post arbeiten oder sonstwat.

Man sollte schon versuchen, ihm zu helfen; denn wenn die äußeren Stützen, an die er sich doch so gewöhnt hat, fallen - woran soll er, der stützengewohnte, sich dann noch halten?

Nee – man sollte was für ihn tun....

Obige Anmerkung findet man,
zusammen mit verschiedenen thematisch verwandten sonstigen Texten,
in der Sammlung

Der politische Diskurs

Schimpanse_gruen

Dienstag, Februar 22, 2011

Über das online-Leben

Aus einem vorhin abgeschickten Brief an eine Bekannte, die sich über meine dem realen Leben entfleuchende Nutzung des Internet lustig machte. Da det vielleicht allgemein interessant ist und damit der Blog nicht darbe sei es hier veröffentlicht.

  • Das Online-Leben kann, bei rechtem Zugriff, zu einem ganz realen Bereich des ganz realen Lebens werden. Bei näherer Betrachtung ist das bloß eine Metamorphose uralter Gepflogenheiten. Bereits jener Apostel Paulus, zum Beispiel, schrieb vor 2000 Jahren Briefe an Leute, mit denen er zu dem Moment, da er sie schrieb, nicht zusammen war. Und nicht von ungefähr wurden im Laufe der letzten Jahrhunderte Unmengen an Geisteskraft aufgewendet zur Organisation eines funktionierenden Postsystems und, später, verschiedener sonstiger Kommunikationsmittel. Ohne die Möglichkeit, mit Menschen zu kommunizieren, mit denen man im „realen“ Leben räumlich nicht beisammen ist, hätten sich Millionen und Abermillionen menschlicher Schicksale ganz anders entwickelt, als sie es faktisch taten. Und auch das erweiterte Verbreiten von geschriebenem – etwa in Form der traditionellen Bücher – gehört hier mit dazu.
  • Die durch das Internet gegebenen erweiterten Möglichkeiten der Kommunikation führen, neben einer gesunden Erweiterung des „realen“ Lebens, zu unkontrollierten krankhaften Wucherungen, welche, die reale Kommunikation verfälschen und ersetzen (doch auch ohne Internet kennt man im realen Leben den inhaltslosen „Smalltalk“; online schießt der nur, bei solchen halt, die nichts anderes kennen, ins Kraut).
  • Da ich mit verschiedenen räumlich weit von mir entfernten Arbeitszusammenhängen verbunden bin und einen geographisch weit verstreuten Freundeskreis habe, bin ich, so wie früher ähnlich gelagerte Leute die Post benutzten oder noch früher reitende Boten, aufs Internet angewiesen; und sogar habe ich gelernt, eine Sache wie Facebook, wo eigentlich starke Wucherungstendenzen am Wüten sind, in meinem Sinne für mich nutzbar zu machen.

So isses.

Freitag, Februar 18, 2011

Dogmatisches

 

Auch der verbissenste Dogmatiker wird – so seine Verbissenheit ihm noch einen Rest an freier Denkbewegung gestattet – sich mitunter bereitwillig auf ein Gespräch über dogmatische Haltung einlassen; so lange halt, alsbis sein eigenes Dogmensystem als solches erwähnt wird. Dann wird er, je nach Temperament, erstaunt oder verärgert erwidern: Aber das sind doch keine Dogmen; das ist doch – je nachdem – selbstverständlich, evident, göttliche Offenbarung, wissenschaftlich längst bewiesen, oder sonstwat Unumstößliches.

Samstag, Februar 12, 2011

Kulturelles

IMG_6642Vor ein paar Tagen in Budva, nach vergeblichem Versuch, in einer Buchhandlung irgendwas von Bulgakow oder sonstwem in saftigem aufbauendem Russisch zu finden, interessantes Gespräch mit Wladimir: Warum er keine Bücher liest.
Mit leichtem Gepäck kam ich nach Montenegro und bin dort gestrandet. Was geistige Nahrung betrifft bin ich auf Online-Bibliotheken angewiesen; ansonsten: Darben. Und zu alledem noch selber schreiben. Geht fast nicht.
In Budva wimmelt es von Russen. Sogenannte „neue Russen“; größtenteils ungebildetes Volks, das durch Bauernschläue und das postsowjetische Wirrwarr ausnutzende faule Tricks es zu Reichtum brachte. Die Stadt gehört praktisch ihnen. Wladimir mag sie nicht. Ich, nebenbei gesagt, auch nicht.
Solche lesen natürlich nicht; und vor solchem Hintergrund war es naiv, in Budva in einer Buchhandlung nach Bulgakow zu fragen.
Auch Wladimir liest nicht. In seinem Fall ist das erstaunlich. Ehemaliger Mitarbeiter der Tretjakov-Galerie; hat dann sein eigenes Museum gegründet. Hochintelligenter Bursche.
Mein Bedürfnis nach saftiger russischer Literatur verstand er.
Er erklärte mir, warum er selbst nicht liest:
Früher sei es immer wieder mal vorgekommen, daß gebildete fortschrittlich gesinnte Freunde ihm irgendwelche Bücher irgendwelcher moderner Autoren empfahlen. Gewissenhaft habe er am Anfang versucht, die empfohlenen Werke zu lesen; und da es jedes Mal sich so ergab, daß er das jeweilige Werk als ungenießbaren Mist beiseitelegen mußte, hörte er irgendwann auf, Bücher zu lesen.
Ich antwortete ihm:
daß es mir genau so ergangen ist; und zwar, als Zweisprachigem, sowohl mit russischen als auch mit deutschen neuen fortschrittlichen Autoren. Die Mechanismen, nach denen solche, der Sache nach meist völlig blasse und uninteressante Schreiber aufgebaut werden, verstand ich ziemlich früh; das läuft alles nach dem Muster, welches Hans Christian Andersen in seiner Erzählung „Des Kaisers neue Kleider“ vorgestellt hat. All dies erklärte ich ihm; mit dem Hinweis, daß ich, gleich ihm und dem Kind in jener Erzählung, nichts Verwerfliches daran finde, wenn ich den Kaiser nackt sehe. Ich kann ja nix dafür, daß er nix an hat....
Aufgrund solcher Erlebnisse und Einsichten haben mich aber nicht von der Literatur als solcher abgewandt, sondern nur ein gesundes Mißtrauen entwickelt gegen Modeschreiber und überhaupt gegen in sogenannten „soliden“ Verlagen erscheinende neuere Literatur: Ich schau mir das schon gar nicht mehr an.
Wladimir verstand das und meinte, daß im Bereich der Malerei und bildenden Künste genau die gleichen Kräfte und Mechanismen am Wirken sind.
Er lebt mehr mit den bildenden Künsten, hat sich, trotz allem, nicht von ihnen abgewandt und arbeitet weiter engagiert in diesem Bereich; während ich, mehr im sprachlichen Ausdruck lebend, allen Widrigkeiten zum Trotz mich in diesem Element weiterentwickle.
So wurschtelt jeder sich durch auf seine Weise….
So isses
Diesen Text findet man in dem Sammelband

"Einblicke in Abwege"



Samstag, Februar 05, 2011

Pose und Sein

Heute, da die Sprache sich vom Inhalt verselbständigt hat, läßt sich in frommen Worten über fromme Haltungen sprechen und schreiben solcherart, daß nur dem geübten Hörer oder Leser verständlich wird, daß diese Worte als Ersatz dienen für die fehlende Haltung.

Statt Offenbarung lebendiger Gedanken, Element lebendigen Austauschs zu sein, erstarrt die Sprache zur welterretterischen Pose.

Welterretterische Pose aber bindet unser Denken und igelt uns ein gegenüber der Welt. Retten vor solchem Übel kann uns nur der Übergang zu einer radikal ungeistig-asozial-unchristlichen Grundhaltung; und sollten wir uns von solcher Grundlage aus zu geistesgegenwärtigen verantwortungsbewußten weltoffenen Zeitgenossen entwickeln, so wäre das weiter nicht schlimm.

Denn nicht einer weltoffenen verantwortungsbewußten Grundhaltung gilt unsere Kritik, sondern einem die Entwicklung selbiger behindernden Vortäuschen einer solchen.

So isses.

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