Autor:
Raymond Zoller
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Aus dem Facebook-Leben gegriffen mit nur ganz leichter Überarbeitung reinkopiert:
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Obigen russischen Dialog entdeckte ich bei Facebook.
Mit gleichfalls in russisch verfaßtem Kommentar teilte ich ihn; ein paar Tage später übersetzte ich das Ganze auch ins Deutsche und veröffentlichte es bei Facebook.
Im Weiteren denn die deutsche Übersetzung, erweitert durch die Antwort auf eine Anmerkung zu dem Veröffentlichten.
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Der Dialog in deutscher Übersetzung:
"Sag mir schnell, wann Puschkin starb; kann mich nicht erinnern; krieg noch Ärger mit dem Lehrer"
"1937"
"Auch Puschkin 1937? Was für ein Mistkerl dieser Stalin war!"
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Mein Kommentar zu diesem Dialog in deutscher Übersetzung:
Puschkin wurde von Dantes umgebracht. Doch das bedeutet nicht, daß Stalin niemanden umbrachte. Viele hat er umgebracht, und nicht nur 1937; 1937 brachte er viele Apparatchiki um; aus welchem Grunde sogar die Wohlgesonnenen sich über ihn ärgerten. Und auch Hitler hat Puschkin nicht umgebracht; doch auch ohne Puschkin saß er nicht untätig herum. Sehr aktiv hat der gemordet. Hitler und Stalin waren einander würdig. Doch Stalin - übrigens aus Georgien, und sein richtiger Name lautete Dschugaschwili - ist nicht Rußland, und vor allem nicht das heutige Rußland; und Hitler ist nicht das heutige Deutschland. Besser, wir orientieren uns nicht an diesen Scheusalen und bemühen uns dafür, mit der heutigen Realität fertigzuwerden. Auch so ist alles kompliziert genug; und all diese uminterpretierten Hitlers und Stalins machen alles nur noch komplizierter. Muß doch nicht sein...
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Mein Eingehen auf einen Kommentar zu der Veröffentlichung:
Ist wirklich starker Tobak; und wenn man da mitten drinsteckt und die Feinheiten mitbekommt – so stark, daß es zeitweise ratlos macht und lähmt.
Rußland ist ja nicht einfach ein amorpher Block, sondern, genau wie der "Westen", ein kompliziertes Gebilde mit den unterschiedlichsten Sichtweisen, Strömungen, Gruppierungen. Vom "Westen" unterscheidet Rußland sich vielleicht dadurch, daß noch eine gewisse großflächige Entwicklungsmöglichkeit vorhanden ist, während im Westen alles zu verschorft scheint, als daß es soziale Katastrophen noch vermeidbar sein könnten.
Doch wie dem auch sei: der mit allen Mitteln durchgeführte Ansturm des Westens provoziert im Gegenzug, unter anderem, ein sich zurücksehnen in frühere Zeiten, als "Rußland" dem Westen die Stirn bot.
Und wenn man die Geschichte nicht kennt geht das ganz einfach.
Es gibt da, zum Beispiel, Solschenizyn, der die Geschichte gründlich aufgearbeitet hat. Den liest man kaum. Wenn man Solschenizyn erwähnt, hört man ein unbestimmtes "Iwan Denissowitch" oder "Archipel Gulag"; vielleicht gelesen, vielleicht nicht einmal; und fertig. Daß es ein vieltausend Seiten starkes "Rotes Rad" gibt und sonst noch sehr vieles und sehr wichtiges – weiß kaum jemand. Gedruckt wird die Gesamtausgabe letzter Hand in solch lächerlich kleinen Auflagen, daß es kaum möglich ist, sich die Bücher zu verschaffen. Dafür kann man sie kostenlos als PDF herunterladen und sogar als Kindle-Dateien. Die heutige Form des Samisdat gewissermaßen.
Dafür blüht ungestört der verschiedenartigste Unfug auf (ebendies hat Russland ganz sicher mit dem Westen gemein).
In den neunziger Jahren hatte ich, ohne selbst Stalinist zu sein, das Vergnügen, in stalinistischen Kreisen zu verkehren; sogar meine allererste russischsprachige Veröffentlichung war in einem ihrer Blätter (nichts Ideologisches, sondern ideologiefreie Belletristik). Was dort vertreten wurde war eine irre Mischung aus borniertem "Christentum" und borniertem Stalinismus. War öfter in der Redaktion und bekam so einiges mit. Einer der Autoren erklärte mir in einem Gespräch, daß Stalin direkt mit Gott in Verbindung stand.
Wohl gemerkt: das ist nicht Rußland. Aber sowas gibt es in Rußland. Und durch den unverschämten irrsinnigen Ansturm des Westens kommt es stärker hervor, als es unter normalen Bedingungen hervorkommen würde.
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So isses.