(Beitrag von mir in einem Forum zum Thema „Bedingungsloses Grundeinkommen“, in das ich mich mal eingeklinkt hatte und kurz darauf wieder ausklinkte; Eingehen auf einen Beitrag, darin die Forderung aufgeführt wurde, man müsse sich auf die „kulturellen Wurzeln“ besinnen. Wider Erwarten wurde mein Beitrag nicht verstanden (damals lebte ich noch in dem Vorurteil, klar Formuliertes könne auch klar verstanden werden; inzwischen habe ich solche Erwartungen über Bord geworfen und leb seitdem viel ruhiger)
Wenn man unter „Kultur“ das versteht, was ursprünglich darunter verstanden wurde, ist es zweifellos so, daß wir ohne Wiedergewinnung unserer „kulturellen Wurzeln“ nichts erreichen können und weiter frischfrommfröhlichfrei dem Abgrund entgegenschlittern werden.
Wenn man aber unter „Kultur“ das versteht, was man heute gemeinhin mit solchem Worte meint, wird das Beschwören solcher „Wurzeln“ uns auch nicht weiterhelfen.
Kultur im ursprünglichen Sinne ist ja nicht das, was wir in Büchern lesen, im Theater auf der Bühne sehen oder im Museum uns angucken. Kultur im eigentlichen Sinne ist die Entwicklung unseres lebendigen Verstehens unser selbst und unserer Umgebung sowie das durch solches lebendige Verstehen getragene äußere Geschehen. Bei solcher Entwicklung können diese und jene Bücher – so man sie richtig liest – eine Hilfe sein; für sich genommen hat das Lesen von Büchern – und selbst von solchen, die im Rufe stehen, ganz besonders gescheite Bücher zu sein – nix zu tun mit eigentlicher Kultur.
Zum Beispiel scheint mir, daß mit der Problematik um das „bedingungslose Grundeinkommen“ eng verknüpft ist die Problematik der Motivation zum Tätigsein; und eben im Bereich der Motivation kommt es durch die gewohnte Koppelung von Arbeit und Einkommen bei mehr zum Aufwachen neigenden Zeitgenossen zu ganz fatalen Knoten und Wirrnissen; hier, zum Beispiel, gäbe es sehr viel zu tun; nicht vermittels Konstruieren gescheiter Theorien natürlich, sondern vermittels verstehenden Beobachtens und Aufdröselns. Ganz im Sinne übrigens der eigentlichen „kulturellen“ Wurzeln. Und vieles andere mehr; und ohne bewußte Auseinandersetzung mit der Bewußtseinsproblematik, mit der „kulturellen“ Problematik bleiben auch die Bestrebungen zum „bedingungslosen Grundeinkommen“ einfach bloß ein politisches Programm neben anderen politischen Programmen; zudem ohne große Chancen auf Realisierung; während bei stärkerer Berücksichtigung der zugrundeliegenden „kulturellen“ Komponenten selbst bei Nichterreichen des gesteckten Ziels ein „Scheitern“ gar nicht möglich wäre, da der Gewinn an geistiger Beweglichkeit, an „Bewußtsein“ in verschiedenster Weise und in verschiedensten Richtungen immer sozial fruchtbar wird: „Der Geist weht, wo er will.“
Das Abdriften der Kultur ins Nachahmen der Kultur, in dem wir heute – meist ohne es zu merken – mitten drin stecken, wurde als Tendenz ja schon recht früh bemerkt und geschildert; und mir scheint, daß es nötig wäre, diese Driftbewegung bis zu ihrem fatalen Endpunkt retrospektiv nachzuverfolgen, damit wir besser verstehen, wo wir jetzt sind.
In diesem Sinne: Unter http://klamurke.com/filistr.htm findet man einen in diesem Zusammenhang relevanten Zusammenschnitt bezeichnender Aussagen aus einer Arbeit von Nietzsche (ich meine damit nicht Nietzsche als im Panoptikum der „Gebildeten“ herumstehende Wachsfigur, sondern als unter jenem Abdriften leidenden und es beobachtenden lebendigen Menschen)
Und ein unter dem Titel „Phrase, Konvention, Routine“ veröffentlichter Auszug aus einem Vortrag zu diesem Thema, der irgendwann um 1920 gehalten wurde: http://klamurke.com/phrase.htm
So viel, möglichst kurz und doch zu lang, über kulturelle Wurzeln sowie deren Nachahmen im Hinblick auf deren Bedeutung für die Problematik des Bedingungslosen Grundeinkommens.
So isses