Sonntag, Mai 23, 2010

Über bewußtes Verblöden

Вход в какое-то подземельное царство
 
Vor kurzem korrespondierte ich mit einem Freund, der mir davon berichtete, daß jemand ihn zu Facebook eingeladen hat. Er schrieb, daß er die Einladung angenommen hat und daß er keine Ahnung hat, was er da soll. - Ich selbst bin schon lange bei Facebook; auch deshalb, weil jemand mit eingeladen hatte; und was ich da soll, wußte ich auch nicht.
 
Unsere Korrespondenz machte mich neugierig; und ich begann, dieses Facebook mal genauer unter die Lupe zu nehmen.
 
Unter anderem probierte ich aus, wie man dortselbst eine Gruppe gründet. Das ging ganz leicht; und seitdem existiert bei Facebook die Gruppe „Anonyme Kanalisationsbewohner“.
 
Doppelnas
 
 Womit wir, nach dieser kurzen Einleitung, beim eigentlichen Thema dieses Eintrags angelangt wären.
 
Ein Tätigkeitsbereich für diese neugegründete Gruppe war schnell gefunden und ausformuliert; und zwar lautet das nun:
“Unser Ziel ist die Entwicklung ehrlicher, aufrechter Dämlichkeit, wie sie sich in unseren schwierigen Zeiten ins Kraut schießender maskierter Dummheit nur in der Unterwelt entfalten kann.”
Unvorhergesehenerweise kam es in dieser Gruppe dann sogar zu einer gewissen Aktivität; und im Weiteren entstand der Eindruck, daß ich manches Volks, das mich früher noch halbwegs ernst nahm, durch selbige Gründung leicht verunsichert hatte.
 
In einem Forumbeitrag versuchte ich etwas später, das Gruppenziel in ernsterem bzw. in halbernstem Tonfall noch genauer zu umreißen:
“Die Welt, in der wir leben, wird immer verrückter und absurder; und das Absurdeste an der ganzen Sache besteht darin, daß nur die wenigsten die ganze Tiefe der Absurdität erfassen können und daß es sogar noch immer genügend solche gibt, die überhaupt nix merken. – Wir aber, die uns noch einen Rest an Bewußtheit bewahrt haben, wollen unser Schicksal nun selbst in die Hand nehmen, die Absurdität aus ganzem Herzen erkennend bejahen und bewußt verblöden. Denn ein Zurück zum gesunden Menschenverstand gibt’s nicht mehr; dazu ist alles bereits zu verfahren.”
Was, wie ich merkte, einige wenige, die das lasen, in tiefste Verwirrung stürzte.
 
Die Wurzeln jener Verwirrung seh ich natürlich; aber sie in ebenselbigem Forum aufzuzeigen wäre ein Stilbruch. Deshalb tu ich das, ganz egal für wen, hier an diesem Orte.
 
Bewußtes Verblöden ist nämlich, rein vom Prinzip her, gar nicht möglich. Denn in dem Moment, wo ich meine eigene Blödheit unter die Lupe nehme, hört automatisch alles Verblöden auf. Zu anderen Momenten mag ich so blöd sein wie auch immer; aber eben dort, wo ich meiner eigenen Blödheit als solcher bewußt bin und sie in ihren Verästelungen, in ihrem Sein ausmachen kann, bin ich es nicht.
 
So daß das Gruppenziel, wie ich es formuliert habe, ein Widerspruch in sich ist; und wer sich noch ein leises Gespür bewahrt hat für Realität und jenen Widerspruch nicht sofort schnallt, kann durch selbige Formulierung in Verwirrung geraten.
Wer seine eigene Blödheit unter Kontrolle hat, dem steht es natürlich frei, für sich und unter seinesgleichen seine gedankliche Freiheit zu genießen und nach außen hin weiter den Blödmann zu spielen; sogar, nach Lust und Laune, sich noch blöder zu geben, als er vorher war; warum nicht? – Und die Absurdität, nachdem man sie als solche erkannt hat, bejahen, bedeutet ganz einfach: darüber lachen.
 
Prost
Raymond
Doppelnas
 
p.s.: So langsam komm ich dazu, solche Leute wie den Eulenspiegel zu verstehen. Tiefschürfende Analysen – selbst wo sie wirklich tiefschürfend sind – bringen uns nicht mehr weiter; unsere Zeitgenossen sind im Allgemeinen zu verkopft, als daß sie noch etwas verstehen könnten. Einfach etwas umrühren; ob es wem hilft oder nicht iss egal; als Mindestes hat man selbst seinen Plausch daran.
Nochmal:
Prost

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Donnerstag, Mai 13, 2010

Zwei Gründe des Verstummens

[eine vor ca. einem Jahr getippte und bereits sonstwo veröffentlichte Notiz, die, damit die Sache nicht zum Stillstand kommt, nun auch hier veröffentlicht sei. – Vielleicht geht es diesem oder jenem, dieser oder jener ähnlich. So es sie gibt: Seid gegrüßt!]
***
Eigentlich bin ich sehr langsam im Verstehen; aber was ich verstehe, verstehe ich verhältnismäßig gründlich. – Dank dieser Langsamkeit ließen sich auch verschiedene gefühlsmäßige Begleiterscheinungen bei der Entwicklung von erstem unbestimmtem Ahnen bis zum plastischen begrifflichen Erfassen von Zusammenhängen beobachten.
Im Bereich des „Studiums der Phänomenologie des geistig-seelischen Erstickens“ bzw. der „chemischen Analyse des Unbehagens“ sieht das, im Allgemeinen, wie folgt aus:
Die erste unbestimmte Ahnung, daß in irgendeinem Bereich irgendwas nicht stimmt, ist begleitet von dumpfem, unbestimmtem Schmerz (wieauch eben dieser dumpfe unbestimmte Schmerz den Anlaß abgibt, die Sache näher in Augenschein zu nehmen); und zum „Ausgangsschmerz“ ob der unbestimmten Unstimmigkeit kommt der zusätzliche Schmerz ob der Unbestimmtheit: darob: daß ich nicht verstehe, was los ist; daß ich weder mir selbst noch anderen klarmachen kann: was nicht stimmt und nur weiß: daß irgendwas nicht in Ordnung ist: der Schmerz also ob meines im Nichtverstehen begründeten Stummbleibenmüssens.
Wenn ich die Sache dann plastisch habe, wird auch der Schmerz plastischer; und der von der Unbestimmtheit herrührende Zusatzschmerz wird dann nicht selten beziehungsweise in der Regel ersetzt durch den Schmerz darob, daß ich sehen muß, wie von mir plastisch als Unsinn oder Absurdität erkanntes von meinen Zeitgenossen als normal und unbedingt richtig hingenommen wird; und auch daß: obwohl ich nun in der Lage bin, in begrifflich klarer Sprache darzustellen, was genau nicht stimmt, ich mich trotzdem nicht verständlich machen kann: weil nämlich kaum jemand versteht, was ich sage; daß das Stummbleiben infolge Nichtverstehens gewissermaßen abgelöst wird durch das Stummbleiben infolge Verstehens.
***
Eben.
Diesen Text findet man in dem Sammelband

"Einblicke in Abwege"




Samstag, Mai 08, 2010

Resignation

Wenn ich mich etwas anstrengen würde, ließen sich vielleicht irgendwelche Gedanken entwickeln, ließe sich noch nicht Gesagtes zur Sprache bringen.

Doch ich will mich nicht anstrengen. Wozu? Für wen?

Wie Freund Friedrich seinerzeit ganz treffend seinem Kummer Luft machte:

„Daß ihr Bestes doch gar so klein ist! Daß ihr Bösestes doch gar so klein ist!“

Eben.

Ganz entspannt hinlegen möchte ich mich und einfach bloß zugucken, wie die Sache dem Abgrund entgegenrutscht. Wie det wohl aussehen wird, wenn der Höhepunkt der Abgrundfahrt erreicht ist?

Leicht beunruhigend bloß, daß man in diese rutschende Masse irgendwie mit eingeschlossen ist.

Doch – was kann man tun? Nix kann man tun.

Wenn man vor lauter Fortschritt nicht auch noch das Lustigsein verlernt hätte, könnte man die Abgrundfahrt wenigstens etwas lustiger gestalten. Ästhetisierung des Weltuntergangs…

Doch nicht einmal das ist möglich.

Am besten wohl schlafen….

Prost