(In leichter Überarbeitung ein paar noch immer aktuelle Notizen, die ich in den Anfängen des Pussy-Riot-Syndroms bei Facebook hinterließ)
In den russischen „Isvestija“ stieß ich auf einen Bericht, dessen Zusammenfassung in deutscher Übersetzung wie folgt lautet:
„Nachdem eine Bewohnerin aus Dolgoprudny [Vorort von Moskau] ihre lästig gewordenen Kinder aus dem Fenster geworfen hatte, wurde beschlossen, in den Schulen Spezialunterricht einzuführen. Und zwar sollen den Schülern aus den Moskauer Vororten Geistliche über familiäre Werte erzählen.“
Bei jemandem (wie zum Beispiel bei dem Verfasser vorliegender Zeilen), der auf eigene nicht sehr erhebende Erfahrungen mit der hohen Geistlichkeit zurückblicken kann und in den letzten Tagen zudem die tragikomischen laufenden Berichte zum Pussy-Riot-Prozess mitverfolgt, wo die russische Staatsmacht mitsamt der mit ihr verflochtenen Kirchenmacht in wirrer Willkür alles dransetzen, sich lächerlich zu machen – kann eine solche Nachricht als Anregung dienen zu durchaus humoristischen Assoziationen.
Vorstellen kann man sich zum Beispiel, wie da so ein frommer bekutteter Mensch vor der Klasse steht und den verblüfften Schülern erzählt, daß Kinder von Gott sind und daß man sie deshalb nicht zum Fenster hinauswerfen soll; und solches und ähnliches mehr.
Und allen Ernstes stellt sich die Frage: Wird nach dieser Pussy-Riot-Getue in Rußland überhaupt noch ein intelligenter Mensch in der Lage sein, das kirchliche Getue ernstzunehmen?
Selbst hab ich übrigens nichts gegen Kirchenleute; ganz egal welcher Couleur: soll jeder nach seiner Façon selig werden; und warum soll es nicht Menschen geben, welchen dieses Kirchliche etwas gibt für ihre Entwicklung.
So lange hab ich nichts gegen sie, als sie sich anständig benehmen. Wo sie aber das seelische verlassen und mit Hilfe weltlicher Macht allerlei Unfug und Unheil anrichten – hört der Spaß auf. Oder – günstigstenfalls – wird’s komisch.
Det iss alles recht kompliziert und vielschichtig. Auch der Kommunismus der Sowjetzeit war, meinem Eindruck nach, von unreflektierter wirrer Metaphysik durchsetzt. Später, nach dem Fall der Sowjetunion, kam das dann deutlicher zum Vorschein. In den neunziger Jahren hatte ich, ganz aus der Nähe, in Rußland mit ein paar Blättern zu tun, die ein wirres Amalgam boten aus Stalinismus und orthodoxem „Christentum“. Einer der Autoren, mit dem ich öfter zu tun hatte, sagte mir, daß Stalin direkt mit Gott in Verbindung stand.
Zunächst scheint man zur Zeit auf die orthodoxe Kirche als demagogisches Machtmittel zurückgreifen zu wollen; das funktioniert ja auch. Und die orthodoxe Kirche hat – entgegen anderslautenden Beteuerungen – durchaus jahrhundertlange Erfahrung darin, im Verein mit der Staatsmacht die Menschen zu unterdrücken. Vielleicht nicht ganz so extrem die die katholische Kirche; aber in der Hinsicht ist sie doch sehr katholisch. Man denke nur an die Altgläubigenverfolgungen, die damit zusammenhängende Belagerung des Solowjetzi-Klosters mit anschließendem Gemetzel; und so manches andere.
Irgendwie scheint da sehr vieles untereinander zusammenzuhängen; man müßte das genauer untersuchen.
Noch ein paar Worte zu den „Pussy Riots“: Die Mädels scheinen über ein gewisses geistiges Potenzial zu verfügen; sind halt noch sehr jung und haben sich etwas verheddert. Unter anderem in den westlichen „Werten“, nach denen sie gierig grabschen. Es ist, leider, tatsächlich so, daß begabtere Russen dazu neigen, den Westen zu idealisieren und sich von dort ihre „Werte“ zu holen. Und die bedauerliche Tatsache, daß der „Westen“ mit sich selbst nicht zurechtkommt und außer Mist kaum was zustandebringt, trägt auf solchem Wege denn auch zur Verstärkung des Durcheinanders in Rußland bei.
Und die gelegentlich behandelte Frage, ob das Pussy-Riot-Umfeld von entsprechenden westlichen Stellen finanziert wird, erscheint mir vor solchem Hintergrund zweit-oder drittrangig oder sogar bedeutungslos. Der Westen hat solches gar nicht nötig; er braucht nur sein eigenes Durcheinander zu fördern; und nach Rußland verpflanzter im Westen veranlagter Unfug wird – wie die Erfahrung zeigt – dort ganz automatisch auf die Spitze getrieben.
So isses.