Mittwoch, Februar 10, 2010

Von neuen Kulturprinzipien

Neue_Kulturprinzipien
 
Schimpanse "Das, was wir machen, ist eine Summierung aus den Dingen, die wir erleben, lesen, mitkriegen und träumen. (...) Originalität gibt's sowieso nicht, nur Echtheit."

"Von mir selber ist überhaupt nichts, ich selbst bin schon nicht von mir"

"Ich bin nur Untermieterin in meinem eigenen Kopf."

Zitate Helene Hegemann, (wie man sagt: von anderen abschreibende; ich weiß es nicht, hab es nicht überprüft) deutsche Erfolgsautorin.
Schimpanse

Das ist nun ganz außerordentlich interessant.

Daß irgendwelcher originell klingende Stuß von einem arrivierten Verlag angenommen wird, ohne daß jemand merkt, daß das eine Collage ist aus Zusammengeklautem, wundert mich weiter nicht; auch nicht, daß dann dieser in einem renommierten Verlag herausgebrachte Stuß – nach dem Prinzip „des Kaisers neue Kleider“ – in Wechselwirkung mit dem nicht minder urteilsunfähigen Publikum eine Eigendynamik annimmt und zum Bestseller wird. Das ist alles ganz normal; bedauernswert nur das ratlose Opfer, das nun schon selbst nicht mehr weiß, ob es denn nu eine hochgeniale Schriftstellerin ist oder nicht; mit dem man nun entweder noch etwas herumspielen wird, indem man die Collage aus Geklautem als „genial“ hinstellt (der Verlag dürfte, um sein Gesicht zu wahren, an einer solcher Richtung interessiert sein), oder die man vom literarischen Olymp in die Niederungen des Alltags hinunterstößt.

Bekannt sind mit Kulturkreise auf dieser unserer Welt, wo noch etwas Gespür übrig ist für Substanz und Aufrechte, und wo man noch versteht, daß Schreiben auch mit Persönlichkeit und Persönlichkeitsentwicklung zu tun hat.

In Deutschland vergißt man solches offenbar immer mehr. Das Wenige, was ich aus dem Umfeld der Affäre mit der abschreibenden Erfolgsautorin mitbekam (hab das nur ganz am Rande mitverfolgt; gibt interessanteres, als in diesen Morästen herumzuplantschen) deutet darauf hin, daß man in einer Atmosphäre völliger Ratlosigkeit und Orientierungslosigkeit und im verzweifelten Drang, doch endlich mal was wirklich Neues, Originelles zu bringen, die Individualitätslosigkeit zum Kulturprinzip erhoben hat….

Sollen sie erheben…

„Die Narrenkappe werf ich tanzend in die Luft,

denn ich entsprang….“

Schimpanse

Nachbemerkung:

Damit sei ausdrücklich nichts gegen das bedauernswerte Opfer dieses Kulturmorastes gesagt. Ihre Aussage "Von mir selber ist überhaupt nichts, ich selbst bin schon nicht von mir" (sofern nicht auch abgeschrieben) deutet darauf hin, daß sie selber merkt, daß irgendwas nicht stimmt.

Sie ist noch sehr jung; wenn man ihr helfen würde, dieses Aufmerken: daß irgendwas nicht stimmt – deutlicher zu fassen und darüber nach und nach zu sich selbst, zu ihrer Aufrechten zu finden – könnte sie es in ein paar Jahren vielleicht zu einer richtigen Schriftstellerin bringen (die dann natürlich niemand drucken würde, bzw. die möglicherweise auch selbst keinen Wert mehr darauf legen würde, in den allgemeinen Druckerschwärzemorast einzutauchen).

Doch wer soll ihr in diesem Wirrwarr helfen können? Die Verleger und Literaturkritiker ganz sicher nicht; die blicken selbst nicht durch.

Wünschen wir ihr denn, daß sie es, allen Widrigkeiten zum Trotz, irgendwann schaffen wird, „selbst von sich zu sein“.

Schimpanse

Noch eine Nachbemerkung

Diesen Text findet man auch in der Sammlung " Vom schriftlichen Sichherumschlagen mit der Sprache"; im PDF-Format abgelegt unter https://dl.dropboxusercontent.com/u/54042052/Schreiben.pdf

Марсьёнок 


 



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