Samstag, März 06, 2010

Leistung muß sich wieder lohnen

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Aus deutschen Nachrichten erfuhr ich, daß da ein Kabarettist namens Lerchenberg bei einem Auftritt anläßlich einer vergnüglichen Veranstaltung den Rahmen des belanglosen Vergnüglichen sprengte und zur Sache kam; weswegen er in Zukunft bei selbigen vergnüglichen Veranstaltungen nicht mehr auftreten darf.

Einen gewissen Westerwelle hatte er dabei aufs Korn genommen mit dessen Äußerungen bezüglich sogenannten Hartz-IV-Empfängern, d.h. bezüglich einer in Deutschland ständig wachsenden Menschengruppe, die durch die Umstände zügig ins materielle Elend getrieben wird. Die Sichtweise jenes Herrn Westerwelle hatte er in verschiedenen Andeutungen mit der – natürlich längst überwundenen – Nazi-Ideologie in Verbindung gebracht. – Eben weil man fand, daß die Nazi-Ideologie doch längst überwunden ist, daß man sie folglich auch nirgendwo entdecken kann und daß das Inverbindungbringen heutiger hochgeehrter Politiker mit selbiger Ideologie eine Beleidigung ist – darf er bei ebenselbigen vergnüglichen Veranstaltungen nun nicht mehr auftreten.

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Mit der Nazi-Ideologie hat Lerchenberg natürlich Recht; nur Westerwelle tut er Unrecht.

Recht hat er insofern, als die Nazi-Ideologie tatsächlich nicht untergegangen ist und in verwandelter Gestalt ungestört und immer stärker ihr Unwesen treibt; und zwar nicht nur in Deutschland. Diese menschenverachtende Ideologie ist nämlich, wie mir scheint, nicht an Nationen gebunden; nur daß bei der deutschen Gründlichkeit – welchselbige Gründlichkeit genausogut sich in menschenfreundlicheren Richtungen austoben könnte – selbiger Geist oder Ungeist sich auf eine sehr spezifische, sehr gründliche Art zu verkörpern pflegt. Daß beim Umgang der Herrenmenschen mit den ins Elend getriebenen Hartz-IV-Untermenschen genau der gleiche Ungeist im Spiel ist, der sich, in griffigerer Gestalt im Hitlertum austobte (doch auch für die damaligen Zeitgenossen war er, der Ungeist, damals nicht griffig genug; griffig wurde das erst, als alles vorbei war) – daran kann bei näherem Hinsehen kein Zweifel bestehen.

Und Westerwelle tut er insofern Unrecht, als Westerwelle nur klar auf den Punkt bringt, was sowieso schon in fast aller Köpfen ist. Für sich genommen scheint er harmlos.

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Mit Arbeit und Leistung hat dieses hartz-IV-hafte ins Elend Abgedrängtwerden nichts zu tun.

Mir scheint, daß fast jeder mehr oder weniger normale Mensch, wenn er nicht in Resignation oder Zynismus getrieben wird, das ganz natürliche Bedürfnis entwickeln kann, sich durch irgendwelche Arbeit, irgendwelche Leistung in seine soziale Umgebung einzubringen. Doch eben dies wird, besonders in der sogenannten zivilisierten Welt, durch bürokratische Schikane zunehmend erschwert. Was immer sich an Leistung und Arbeit außerhalb der ausgelatschten Pfade bewegt, wird durch wirtschaftliche und bürokratische Zwänge weitmöglichst abgewürgt; und innerhalb der ausgelatschten Pfade breitet sich immer mehr das aus, was man „Arbeitslosigkeit“ nennt.

Der Einzelne, der von dieser Elendswelle erfaßt wird, hat da kaum noch eine Chance; ganz egal, wie begabt er ist und wie arbeitswillig, was für Ideen er hat, die er realisieren möchte, ganz egal, wie weit es ihm gelingt, trotz allem sich von Resignation und Zynismus freizuhalten: in der Regel ist er zum Darben und zur Untätigkeit verurteilt.

Wenn ein Weiterspinnen des Vergleichs mit jener „Arbeit macht frei“ – Stätte gestattet ist: die dorthin abgeschobenen waren ja in ihrer Mehrheit durchaus arbeitswillig und nicht unbegabt, teilweise sogar hochbegabt; die meisten hatte man aus konkreten Arbeitszusammenhängen herausgerissen, wo sie sich nützlich machten; Ärzte waren darunter, Universitätsdozenten; und nun mußten sie unter der Aufsicht analphabetischer Aufseher das ausführen, was man an jener Stätte als „Arbeit“ definiert hatte. – Bei den von Lerchenberg angesprochenen Heutigen ist es allerdings häufig so, daß sie nicht einmal dazu kamen, ihre Begabungen zu entdecken und zu entwickeln. Letzteres übrigens ein noch näherer Untersuchung würdiges eigenes Kapitel unserer zeitgenössischen Kulturgeschichte.

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Mir scheint, daß diese unerquickliche Entwicklung in der sogenannten zivilisierten Welt einem gewissen Höhepunkt zustrebt, wo das soziale Geschehen entweder in polizeistaatlichem Totalitarismus erstarrt oder sich in Chaos auflöst. Die Hinentwicklung auf diesen Höhepunkt bietet aber auch gewisse Chancen insofern, als zumindest diejenigen, die dabei ins soziale Untermenschentum hinweggespült werden, die Möglichkeit erhalten, aufzuwachen und sich von dem anerzogenen Idiotismus zumindest innerlich zu befreien.

Vielleicht ergeben sich dann aus den anlaufenden Erkenntnisprozesse sinnvolle Entwicklungen: so es nicht bereits zu spät ist.

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So isses.

Schimpanse

Nachbemerkung:

Diesen Text findet man auch in einer Zusammenstellung, die den Titel trägt "Wegmarken auf dem Weg in die Katastrophe"" und die man unter https://dl.dropboxusercontent.com/u/54042052/KL_Wegmarken.pdf anschauen und/oder herunterladen kann.

Aus dem Vorspann:

"Bewußt bin ich mir, daß zu dem Zeitpunkt, da ich diese Vorbemerkung in den Computer tippe (Ende April 2013), viele Zeitgenossen nicht recht verstehen werden, von welcher Katastrophe hier die Rede sein könnte.

Und im Herbst 2008, als die erste der hier veröffentlichten Notizen zustandekam, waren es zweifellos noch viel mehr.

Doch die Zeiten ändern sich; immer mehr von jenen, die von keiner herannahenden Katastrophe etwas merkten oder merken wollten, werden von deren sich ausweitenden und sich Platz bahnenden Fluten erfaßt oder direkt damit konfrontiert, oder entdecken aus sonstwelchen Gründen, daß irgendwas nicht stimmt."

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Und auch in einer Textzusammenstellung aus dem näheren und ferneren Umfeld des Themenkreises "Bedingungsloses Grundeinkommen" (http://dl.dropbox.com/u/54042052/BGE.pdf  kann man diesen Beitrag finden.

 

Schimpanse

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