Orthodoxe Kirche in Bar (Montenegro)
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Beitrag von
Raymond Zoller
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Nachfolgender Artikel erschien am 5. Juni dieses Jahres in Russisch auf der Seite des Koordinationsrats der russischen Diaspora in Montenegro.
Da das darin Angesprochene mir von allgemeiner Wichtigkeit schien, übersetzte ich ihn etwas später ins Deutsche und gab die Übersetzung weiter an Leute, die das interessieren könnte.
Nun sei es denn auch im Blog veröffentlicht.
Das russische Original findet man hier.
Und das bequem ausdruckbare PDF mit der deutschen Übersetzung und dem angefügten russischen Original kann man über dieses Link herunterladen.
Zur Illustration und zur Auflockerung sind einige in Montenegro geknipste Fotos aus meinen Vorräten eingefügt.
Balkan-Maidan: ein Versuchsballon in Mazedonien
Auch die auf dem Balkan gesprochenen slawischen Sprachen kennen das Wort "Maidan". Bloß bedeutet das hier nicht Marktplatz, sondern Bergwerk. In ein solches ausgedientes Bergwerk soll nun die unter großen Opfern und Verlusten errungene ruhige und friedliche Existenz der Balkanvölker hineingeworfen werden. Sämtliche Nachrichtenagenturen wurden durch eine Welle von Mittelungen erfaßt: Proteste in Mazedonien. Zelte, Busse, Gebäck, Massen reißerischer Mitteilungen in den sozialen Netzwerken; kurzum: ein bekanntes standardmäßiges Szenario. Zusätzlich noch Druck auf die Regierung durch die albanische Diaspora nach Art des Kosovo. Die Analytiker waren sich einig: hier wurde ganz offen ein Maidan organisiert in einem Land, welches die besten Chancen hätte, seine wirtschaftliche Lage durch den Bau der "Türkei-Gasleitung"[1] zu verbessern. Durch Maidan und Umsturz ist ein solches Projekt nicht mehr realisierbar und verliert seinen Sinn.
Das Montenegro-Gambit
Während des Kriegs, der zum Zerfall Jugoslawiens führte, galt Montenegro als die friedlichste Republik der einstigen Föderation. Eben hier heilte man seine Wunden, und später investierten eben hier die Teilnehmer der Scharmützel ihre Ersparnisse. Nach Erlangung der Unabhängigkeit im Jahre 2006 flossen in diese Republik dank russischer Investitionen in Immobilien und Industrie und dank stürmischer Nachfrage nach Immobilien unerhörte Reichtümer: im Laufe von 5 – 6 Jahren um die zehn Milliarden Euro bei einer Bevölkerungszahl von 650.000. Beträchtliche Einnahmen brachte auch der Tourismus; und zwar kamen die Touristen zur Hauptsache aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Begünstigt wurde dies durch ein aktives in jahrhundertealter Tradition begründetes freundschaftliches Verhältnis der montenegrinischen Bevölkerung zu Rußland und den Russen.
Unter dem Druck von Außerhalb hat Montenegro sich nun trotzdem den Sanktionen gegen Rußland angeschlossen. Der Zufluß an Investitionen wird katastrophal schwächer; und Touristen gibt es nun sehr wenig. Allerdings blieben mehrere hunderttausend "Sommerfrischler", das heißt Russen mit Zweitwohnung in Montenegro. Keine übermäßig große Einnahmen, aber immerhin ein gewisser Zufluß ins Budget und Umsatz im Bereich der Dienstleistungen.
Es gibt auch Leute aus Rußland mit festem Wohnsitz in Montenegro. Darunter nicht wenig Fachleute aus Bereichen wie Handel, Entwicklung, Touristik, Infrastruktur. Man findet da Ärzte, Lehrer, Ingenieure, Übersetzer, Künstler, Musiker, Literaten. Dieser Teil der russischen Diaspora unterstützte und unterstützt in ihrer überwiegenden Mehrheit sowohl die russische Politik als auch die Vertiefung der freundschaftlichen Beziehung zwischen montenegrinischer und russischer Bevölkerung.
Ein trojanisches Pferd: die russischen Computerhocker[2] in den sozialen Netzwerken
Interessanter ist in diesem Zusammenhang eine andere Sorte von Zeitgenossen, die mit russischen und sonstigen Pässen in Montenegro leben. Gemeint sind Leute, die in Montenegro leben, aber in sonstwo basierte Projekte involviert sind. Solche Projekte haben ihre Standorte teils in den USA, in England, Dänemark Deutschland. Nun gut, die recht angenehmen Lebensbedingungen, billiges Wohnen, qualitätsvolle Nahrungsmittel, die gute Beziehung der Montenegriner zu den Russen, keine Sprachprobleme bei der elementaren Alltagskommunikation – all dies kann durchaus anziehend sein für solche Leute und Fachleute. Aber aus der Nähe betrachtet ist das alles etwas komplizierter.
Ein Beispiel:
Ju. S., mit ständigem Wohnsitz in Montenegro […][3] Er ist in Montenegro als Blogger sehr aktiv. Als Blogger schimpft er aktiv über die russische Politik, und über von ihm selbst in sozialen Netzwerken geschaffene Gruppen propagiert er aktiv seine Ansichten unter den russischsprachigen Bewohnern Montenegros. […]
Solche Leute wie Ju. S. gibt es nicht wenige in Montenegro. Manche organisierten vorerst mal wenig beachtete Aktionen zur Unterstützung des russischen Oppositionellen Nawalny, und sonstige kleinere Vorstöße. Allerdings haben sie offensichtlich sehr viel weiter gefaßte Pläne.
Iwan Dembizki […] gründete in einem sozialen Netzwerk eine Gruppe, die laut formuliertem Anliegen dem Austausch nützlicher Information dienen soll. Tatsächlich aber veröffentlicht der sich als apolitisch bezeichnende Iwan Dembizki in seiner Gruppe Fotos mit Aufschriften, mit denen er den russischen Präsidenten beleidigt, und organisiert heiße Diskussionen über solche Beleidigungen. Gemeinsam mit Moderatoren der Art eines Ju.S. publiziert er in der Gruppe provozierende politische Plakate, über deren Herkunft wir weiter unten berichten werden. Eine der Aktionen von Iwan Dembizki bestand in einer großangelegten Unterstützung der Tätigkeit seines Chefs und Mitstreiters Artemij Lebedev. Lebedev, der sich in Montenegro niedergelassen hat, machte sich am Vorabend der 70-Jahrfeier des Siegs über den Faschismus lautstark über seinen Blog bemerkbar. Und zwar meinte er, es wäre doch nicht schlimm gewesen, wenn die Deutschen aus jenem Krieg als Sieger hervorgegangen wären. Daß sie die Absicht hatten, die Menschen auf dem Gebiet der UdSSR umzubringen, ist laut Lebedew nicht bewiesen.
[…]
Anschließend ließ Iwan Dembizki noch eine weitere spektakuläre Aktion vom Stapel. Und zwar beschuldigte er lautstark die Aktivisten und Mitglieder der russischen Diaspora-Organisationen, sie würden aufgrund politischer Motive Menschen verfolgen. Eine solche Erklärung wurde massenhaft an über 20 Stellen veröffentlicht. Eine völlig absurde Behauptung […]. Manche glaubten es; manche glaubten es nicht, aber verbreiteten es trotzdem weiter. […] Auf Bitten, seine Behauptung durch Fakten zu belegen, antwortete Iwan Dembizki mit Schweigen oder mit Erklärungen, er sei nicht Bürger Rußlands, sondern Weltbürger. Oder mit Fotos, wo er bei Saufgelagen am Strand sich in eine ukrainische Flagge hüllt. Im Weiteren werden wir darlegen, womit eine solche Kampagne zusammenhängt und daß es sich hier keineswegs bloß um einen Skandal unter sich langweilenden russischen Emigranten handelt.
Diese Politik genießt auch eine kraftvolle Medienunterstützung. Da gibt es eine früher in Montenegro kaum bekannte Person, ein gewisser Alexei Boshin. Dieser Alexei Boshin schuf vor ein paar Jahren eine Internetseite, die er als Informationsseite ausgab. Eine Seite war das, die sich durch nichts sonderlich hervortat; solche Informationsseiten zu montenegrinischen Themen gibt es Dutzende. Zu Anfang war das also nichts Besonderes. Doch plötzlich wurde alles ganz anders. Skandalöse Interviews wurden veröffentlicht mit bislang gleichfalls unbekannten Leuten. Zum Beispiel mit Igor Nefedov, der unter dem Pseudonym 'Diver' einen Blog führte. In Montenegro wurde er dadurch berühmt, daß er in die Arabischen Emirate fuhr und versprach, öffentlich seinen russischen Paß zu verbrennen. Vorher hatte Nefedov auf Facebook eine Gruppe gegründet, in welcher, wie er vorschlug, die Russen sich "frei" gegenseitig Verfehlungen vorwerfen sollen, ohne daß sie sich dabei die Mühe machen zu müssen, die erhobenen Vorwürfe zu belegen. Je schmutziger die Wäsche, desto besser. Wegen übler Nachrede und Mobbing wurde diese Gruppe von der Facebook-Administration geschlossen. Auf anderen Seiten von ihm in den sozialen Netzwerken gibt es eine Menge Beiträge von einem gewissen Stomachin, der mehrfach wegen Aufstachelung zu nationaler Zwietracht vorbestraft ist und zum Genozid aufrief; genauer: zum Ermorden von Russen. Für Nefedov sind seine einstigen Landsleute Vieh. Und solches 'Vieh' ist, wie er sagt, nicht fähig zu konstruktiver Tätigkeit; man soll ihm den Menschheitsstatus aberkennen und es vernichten. – Eben diese Terminologie machte sich durch das Interview mit Nefedov dann auf der Seite von Alexei Boshin breit. Unter dem Druck der Öffentlichkeit entfernte Boshin die Zitate aus den "Gedichten" Stomachins von seiner Seite; doch die sonstige Rhetorik blieb bestehen und verbreitet sich weiter in den sozialen Gruppen von Leuten solcher Geistesart.
Boshins Frau und Gesinnungsgenossin Violetta Makejeva beschloß, ihre eigene Internetseite hochzubringen und meldete sie zu diesem Zweck bei einem russischen(!) Wettbewerb an. Anschließend wandte sie sich offen an Verwandte, Freunde und Gesinnungsgenossen: sie sollen, bitteschön, für genügend Stimmen sorgen. Was auch geschah; allerdings ohne den gewünschten Erfolg zu bringen: die prorussischen Aktivisten konnten rechtzeitig die Organisatoren des Wettbewerbs über dieses kleinkariert gemeine trojanische Pferd informieren. Offensichtlich sucht die rußlandfeindliche Propaganda überall nach Ritzen, um nach Rußland durchzudringen.
Die Puppenspieler. Antirussische Politik mit russischer Finanzierung.
Die Sache mit dieser skandalösen Seite ist nicht das einzige dieser Art, das es aus Montenegro zu berichten gibt. Im "Splendid", einem hochvornehmen Fünfsternehotel an den Ufern der Adria, in dessen Bau die Familie Baturins investiert hat, werden regelmäßig Nominierungen und Preisverleihungen abgehalten. Unter den hier geehrten Preisträgern findet man auch die Internetseite von Boshin und die sozialen Gruppen von Iwan Dembizki Die Preise verlieh eine aus Vater und Sohn – Andrei und Alexander Chrgianov – bestehende private Stiftung. Diese Moskauer Unternehmer hatten beschlossen, sich in Montenegro durch gesellschaftliche Aktivität hervorzutun; zu welchem Zweck sie jene Stiftung gründeten und rege Aktivitäten im Hotel "Splendid" entfalteten: gesellige Treffen, Veranstaltungen für Kinder. Sie erzählten ihren Landsleuten, daß sie einen speziellen Checkkartendienst für sie organisieren werden und auch eine besondere Mobilfunk-Gruppe, und eine Dienstleistungsgruppe "Russian friendly"; dann noch Rechtshilfe, und auch um das Investitionsklima und die Immigrationsgesetzgebung wollten sie sich kümmern.
Doch das waren alles bloß Seifenblasen und leere Worte. Nun, nicht nur: die Kinderveranstaltungen und ein Quiz wurden tatsächlich durchgeführt. Für diese eher bescheidenen Festlichkeiten bekamen sie große Summen von einer Organisation zur Unterstützung der russischen Landsmannschaft, der "Ross-sotrudnitchestvo". Bei der Firma, welche im Auftrag der Stiftung die Durchführung der Festlichkeiten betrieb, war die Andrei und Alexander Chrgianov gehörende "Jadran Group". Zu einem großen Teil gab es für die Festlichkeiten auch Spenden von Unternehmern, drunter auch russischen. Die Finanzierung durch die "Ross-sotrudnitchesvo" hielt die Stiftung geheim. Später schlug die Stiftung ungeniert den Russen vor, sie durch finanzielle Zuwendungen und Dienstleistungen zu unterstützen. […]
Unterdessen erzählten Vater und Sohn Chrgian "im Vertrauen", daß sie von einem Beamten eine "beträchtliche Investition" erhalten haben. Wobei… der Name eines Beauftragten des russischen Präsidenten genannt wurde. Bloß fehlt ihnen noch ein klein wenig. "Wer will kann beim Aufstocken helfen; die Sache ist gut abgesichert." Wie sich dann herausstellte war das einfach bloß eine Pyramide: die Familie investierte das Geld in ihre Wohnungen. Und das Projekt kam nicht von der Stelle.
Natürlich mußte wenigstens der Schein von gemeinnütziger Tätigkeit geschaffen werden; und so bietet denn die Stiftung als offizielle Diskussionsplattform – die Gruppe von Iwan Dembizki. Jene Gruppe, die angeblich nur für den Austausch von Information geschaffen wurde. Doch für das Propagieren der Ideologie der Stiftung kann man offensichtlich solche Deklaration ignorieren und dafür die Verbreitung der Dembzki'schen Veröffentlichungen fördern. Und Gehirnwäsche treiben. Das heißt Hineinlocken nichtsahnender russischer Bürger in geschickte ideologische Bearbeitung. Und all dies gegen Rußland.
Als Andrei Nesterenko, der russische Botschafter, hiervon erfuhr, trat er eiligst zurück von seinem Posten als Aufsichtsratsvorsitzender der Stiftung. Immerhin eine unmittelbare Diskreditierung der russischen Vertretung in Montenegro. Da man es geschafft hatte, sogar den Botschafter hereinzulegen und ihm weiszumachen, daß die Stiftung nicht private, sondern öffentliche Interessen verfolgen wird, kam es zu einem handfesten Skandal. Mit bitterem Spott bezeichnen die Russen in Montenegro bis zum heutigen Tag die Chrgianov-Stiftung als "Monetisierungspunkt". Die Bezeichnung hat sich eingebürgert, aber ein Beigeschmack von Betrug blieb erhalten.
Man möchte glauben, daß man hier den Angelpunkt hat für alle antirussischen Intrigen in Montenegro. Eine private Stiftung, die für alles mögliche und unmögliche Geld kassiert. Doch dem ist nicht so. Nicht um Montenegro geht es den Puppenspielern dieser Aufführung. Ihre Pläne sind weiter gefächert.
Der für sein seelisches Ungleichgewicht und sein Machtstreben bekannte und sogar in seiner Familie für seine Streitsucht gefürchtete Alexander Chrgian kündigte Anfang 2015 lautstark an, daß er die Absicht hat, seine Tätigkeit auf Serbien und weiter auf den gesamten Balkan auszudehnen. Der Grund für diesen Rummel kam recht schnell ans Tageslicht.
Die IGIL auf dem Vormarsch
Jetzt noch von einer andern Seite:
Hodscha Kalamperowitch, der Vorsitzende einer montenegrinischen muslimischen Gemeinde, berichtet, daß ihre Gemeinde permanent unter Druck gesetzt wird durch aus dem Ausland kommende Missionare. Muslime gibt es viele auf dem Balkan; das sind alles Nachkommen von seinerzeit turkisierten ursprünglich orthodoxen Slawen. Ihre Vorfahren unterwarfen sich der Macht der Osmanen; doch nicht selten kämpften sie gemeinsam mit den Christen gegen die Türken. Später, nach der Vertreibung der Türken durch die Russen, wahrten die Muslime Loyalität gegenüber der Macht ihrer Fürstentümer und Königreiche. Manche kehrten zurück zum Christentum, doch viele blieben beim Mohammedanismus. Nach Beendigung der Kriege beim Zerfall Jugoslawiens lösten sämtliche radikale muslimische Vereinigungen sich auf. Und nun beginnt plötzlich wieder Agitation und Radikalisierung. Warum eigentlich? Ist auf diesem ressourcenarmen Balkan die Neuaufteilung des Einflusses denn so wichtig? Wozu und für wen soll radikalisiert werden, sollen Krisenherde geschaffen werden? Die Muslime in Montenegro, Serbien, Mazedonien sind nicht interessiert an Konflikten und Umverteilung des Einflusses. Sie sind in der Minderzahl, und sie brauchen Frieden.
Doch die Arbeit an der Radikalisierung hat begonnen. Im Weiteren wird deutlich, wozu. Die Diversifizierung der Methoden in der großen Politik ist nach wie vor im Gebrauch.
Und ein weiterer Beweis: Die Aufmerksamkeit für den Balkan seitens aller Mächte ist groß.
Mimikry. Das Schwein in den Apfelsinen
Über die öffentlichen Ersatzbewegungen "à la russe" haben wir schon berichtet. Wie sich zeigte, kann sogar die Kultur als Tarnung dienen für ein aggressives ideologisches Ziel.
Im Jahre 2014 zog der russische Galerist Marat Gelman nach Montenegro, um dort seinen festen Wohnsitz aufzuschlagen. Dieser aus Kischinau (Moldawien) stammende Funktionär war bereits Aushängeschild der politischen Partei "Einiges Rußland"[4], stellvertretender Generaldirektor des russischen Fernsehsenders ORT, und Direktor des Permer Museums. Laut Urteil von Kollegen ist das ein Mensch, der dazu neigt, sich mit Hilfe von Skandalen ans Licht der Öffentlichkeit zu drängen; in Sachen Kunst völliger Laie, aber sehr geschickt in Finanzangelegenheiten.
Doch zeigte sich im Weiteren, daß er auch in Sachen Kunst keineswegs ein profaner Laie ist. Für die Kunst ist er ein Markenzeichen. Gelman bot sich an als Symbol für die Werbekampagne eines Elite-Wohnkomplexes. Begonnen wurden die Bauarbeiten an diesem Komplex durch die Firma "Mirax Group", die dem russischen Unternehmer Sergei Polonski[5] gehört. Später wurde Polonski zurückgedrängt, und er geht nun gerichtlich vor. Der Wohnkomplex nennt sich heute Dukley Gardens. Und das Gelmansche Projekt entsprechend Dukley European Art Community.
Gelman kam nach Montenegro und heuerte als Chefkunstexpertin Ekaterina Chrgian an. Die Mutter also von Alexander und die Frau von Andrei, den Besitzern der Stiftung. In Montenegro sehr bekannt und von extravagantem Geschmack.
Gelman schlug allerdings ein weitaus umfassenderes Programm vor als eine einfache Art-Community. Nur ganz zu Anfang begann er Ausstellungen zu organisieren für russische Künstler. Gleich auf der ersten Ausstellung wurde eine Abbildung des Klosters von Zetin im Stile des Primitivismus gezeigt. Von dem Ort also, wo die Hand von Johannes dem Täufer aufbewahrt wird, ein Stück vom Kreuze des Jesus, und die Filermsker Ikone – die größten Heiligtümer der christlichen Welt.
Der Skandal ließ nicht auf sich warten. Für die patriarchalisch gestimmten Montenegriner ist eine solche Profanierung nicht bloß eine gewöhnliche Geschmacklosigkeit. Sondern eine Beleidigung. Man warf unserem Galeristen auch seinen Affen in der Uniform eines sowjetischen Soldaten vor – ein Veteran mit den Orden aus dem zweiten Weltkrieg. Und seine orthodoxe Kirche mit Kuppeln in Form von blauen Klistieren. Und sein "Scheisse-Museum".
Gelman entfesselte einen Skandal. Wie es aussieht – völlig bewußt und gezielt.
Das Projekt Bu-gaga
In Anspielung an die von einheimischen Teenagern im Stadtzentrum von Budva an die Wände gesprühten Graffitis nannte Marat Gelman sein soziales Netzwerk "Bu2". Der Sprachwitz unseres Volkes wandelte das um in "Бу-ГГ", transkribiert "Bu-GG", mit GG[6] gemeint Gelman-Scheisse, im Hinblick auf die mit Vorliebe bei seinen Darbietungen verwendeten Objekte.
Kurz nach dem Skandal mit dem Kloster erklärte er, daß er nach Brüssel fährt zu Verhandlungen. Genauer: zu Verhandlungen mit der EU-Kommission für Kultur (!). Nach seiner Rückkehr verkündete er, daß die Verhandlungen erfolgreich waren. Außerdem berichtete er, daß er einen Vertrag abschließen konnte mit der Dänischen Stiftung "In den Vreemde" bezüglich Stipendien. Diese Stipendien sind bestimmt für Kunstschaffende, die durch ein totalitäres Regime in Probleme gestürzt wurden. Welches Regime gemeint ist, ist leicht zu sehen. Für die Zuteilung der Stipendien ist das Gelmansche Art-Projekt zuständig. Ja nun, ein durch und durch apolitisches Art-Projekt, um Montenegro im europäischen Kunstverständnis weiterzubringen, doch daneben auch noch, um gegen den Totalitarismus zu kämpfen.
Wohl unnötig zu erwähnen, daß man im Laufe einer Stunde Hunderte solcher "dänischer Stiftungen" zusammenklauben kann.
Eben von nun an verkündete die private Stiftung der Familie Chrgian, die bis dahin ausdrücklich ihre Unterstützung des Projekts Dukley European Art Community unterstrich, daß sie sich über den ganzen Balkan hin ausdehnen will.
Und unmittelbar darauf schrieb Marat Gelman in seinem Blog, daß er diese Stiftung "mit der Diaspora" finanzieren kann; und zudem nicht schlechter als das russische Außenministerium. Man kann das so verstehen, daß die auf hoher Ebene verhandelnden Seiten sich vollumfänglich geeinigt haben.
Natürlich reiner Zufall, daß genau zu dieser Zeit die englische Botschaft in Montenegro eine Schule für klassisches Ballett eröffnet. Die Eröffnung dieser Schule wird lautstark in der Gruppe von Iwan Dembizki angepriesen. Unter anderem werden dort Kinder aufgenommen von Kreml-Beamten, die ihre Frauen mitsamt Anhang nach Montenegro verschickt haben. Ein Club verstoßener und beleidigter Frauen hochgestellter russischer Beamter im Umfeld der britischen Botschaft ist natürlich das ideale Milieu, um belastendes Material gegen den Kreml zu sammeln.
Am 9 Mai feierten die Russen und die Bürger Montenegros die 70-Jahr-Feier des Siegs über den Faschismus. Die Festlichkeiten waren nicht im geringsten grandios, aber lustig und mit vielen Teilnehmern. Natürlich gab es auch eine feierliche Kranzniederlegung. Vor Beginn der Feierlichkeiten wurden die Denkmäler für die Gefallenen in Ordnung gebracht; es wurde ein Freundschafts-Fußballspiel organisiert mit Teilnahme von Montenegrinern, Serben, Russen, Ukrainern, Armeniern und Georgiern. Und noch so manches andere. […] Alles wurde von privaten Freiwilligen organisiert; mit Unterstützung von Geschäftsleuten, aber niemand sammelte Geld. Jeder beteiligte sich wie er konnte.
Und nur eine einzige grandios angelegte Veranstaltung gab es an diesen Tagen. Und nur hier gab es nicht die geringste Andeutung an die Siegesfeier – weder in der Ausgestaltung noch auf der Bühne. […]
Es handelt sich um das Dukley Music Fest. Offensichtlich waren die Organisatoren bemüht, alle dorthin zu ziehen. Doch außer dem Beau Monde und ein paar Gaffern kam niemand; und letzteren wurde es auf dem modernistischen Ethno-Festival, das nicht das geringste mit dem Anliegen dieser Tage zu tun hatte, schnell langweilig. […] Wer zufällig hier gelandet war, ging bald wieder und suchte Orte auf, wo die "Katjuscha" erklang.
Aber immerhin – man hatte die Tatsache eines zur Siegesfeier alternativen Ethnofestes geschaffen; und eben diese Alternative wurde im Weiteren durch verschiedene Medien energisch vor der Öffentlichkeit ausgebreitet. Später wurden in der Gruppe von Iwan Dembizki die Organisatoren der verschiedenen Siegesfeier-Treffen von russischer Seite lautstark öffentlich diffamiert. Iwan Dembizki höchstpersönlich äußerte sich zu dem Dukley Music Fest mit höchstem Lobe und unterstützte auf alle möglichen Weisen die Tätigkeit von Marat Gelman.
Seitdem sind zahlreiche Medienressourcen unter Gelmanscher Kontrolle.
Ein Sturm im Wasserglas? Nein, der Beginn eines Superzyklons
Jemand aus montenegrinischen Regierungskreisen, der nicht genannt werden will, sagt, daß die Republik äußerst interessiert ist an der Wahrung freundschaftlicher und kultureller Kontakte mit Rußland. Und ohne wirtschaftliche Kontakte sieht es eh schlecht aus; von der EU ist kaum Hilfe zu erwarten. Die überwiegende Mehrheit der montenegrinischen Bürger will keinen Bruch mit Rußland. Man möchte normale russische Kultur, Austausch von Kontakten, und alles möglichst intensiv. Doch ist die Republik zu klein, um dem Druck von außen standhalten zu können.
Oxana Frenkel, die Vorsitzende des Koordinationsrats für Organisationen der russischen Landsmannschaft in Montenegro, berichtet, daß auf prorussische Organisationen und Aktivisten zunehmend Druck ausgeübt wird. Und dieser Druck kommt nicht von der Regierung oder den von jeher friedlichen Bürgern. Sondern von allen möglichen Leuten von außerhalb. Es gibt da solche mit allen möglichen Pässen; hauptsächlich aus der Ukraine. Manche kamen völlig mittellos nach Montenegro, sind auch bereit für die kriminelle Laufbahn. Und sind streng antirussisch eingestellt.
Bislang können wir nur Vermutungen anstellen, wann die vorbereiteten ideologischen und informatorischen Waffen zu schießen beginnen. Im Krieg, und darunter auch im ideologischen Krieg, ist man in der Wahl der Waffen nicht wählerisch. Wenn es günstig ist, Lüge und Verleumdung zu säen, nationale und religiöse Feindschaft zu entfesseln – so werden unsere Gegner das auch tun. Und tun es sowieso bereits. Und werden dazu, ganz selbstverständlich, als Kulturtätige auftreten, als Friedensstifter und Wahrheitsapostel. Und welche Bedingungen werden an Rußland gestellt? Werden überhaupt welche gestellt? Oder wird man so oder so losschießen? Krim, DNR, türkische Gasleitung, IGIL – und was noch alles und auf welcher Waagschale? Wir werden sehen. Vermutlich schon bald.
In dieser Situation hat sich das Zentrum des Öffentlichkeitsbereichs der antirussischen Ideologie auf dem Balkan herauskristallisiert als das Umfeld von Marat Gelman. Eine solcherart aktive Gruppierung kann auch Druck ausüben auf die montenegrinische Regierung. Und falls diese nicht hören will, können auch proeuropäisch und antirussisch[8] eingestellte Einheimische sich einmischen. Man braut sich alles so zusammen, wie man es will und wie es bereits durchgeführt wurde in Kiew und nun versucht wird in Mazedonien. Soziale Netzwerke, Propaganda, Unruhen, Aktionen, Maidan. Ein solches Szenario wird möglich, wenn man vollständig die wirtschaftliche Zusammenarbeit zerstört und künstlich Risiko schafft für Investitionen. Endgültig nicht nur Investoren und Fachleute vergraulen, sondern selbst die Sommerfrischler; und die Versuche, eine entsprechende Immigrationsgesetzgebung durchzubringen hören nicht auf. Die Bevölkerung wird in materielles Elend absinken. Das heißt, ein trojanisches Pferd wurde eingebracht. Wann es vollständig geöffnet wird – wissen wir noch nicht. Darüber hinaus stehen unübersehbar in allen benachbarten Balkanländern trojanische Pferde bereit.
Wassilij Dewjatajev
[1] Die gängige deutsche Bezeichnung fällt mir grad nicht ein. In Englisch nennt man es "Turkish Stream"; Näheres in Englisch auf der Seite der Gasprom unter
http://www.gazpromexport.ru/en/projects/6/ (d. Üb.)
[2] Russisch "айтишник"; kommt also vom Englischen "Information technology", abgekürzt IT, russisch transkribiert айти. Übersetz es der Einfachheit halber mal mit 'Computerhocker'. d.Üb.
[3] Im Weiteren werden nur die wichtigsten Namen ausgeschrieben. Einzelheiten, die für den deutschsprachigen und mit der montenegrinischen russischen Diaspora nicht vertrauten Leser uninteressant sind, werden weggelassen. D.Üb.
[4] Näheres zu dieser Partei in Deutsch bei Wikipedia unter
https://de.wikipedia.org/wiki/Einiges_Russland (ob der Artikel was taugt, weiß ich nicht; hab ihn selbst nicht gelesen; aber für allgemeine Information müßte es reichen) – d.Üb.
[5] Wie weit die nichtrussischsprachige Welt über die Abenteuer des Sergei Polonski informiert ist, weiß ich nicht. Das ist recht schlimm, aber in gewisser Hinsicht auch ausgesprochen lustig. Hier eine Sammlung von Videos; alles in Russisch, aber vermutlich auch ohne Sprachkenntnisse informativ oder zumindest lustig
http://www.vesti.ru/theme.html?tid=101514
[6] Говно, gowno bedeutet in Deutsch "Scheisse". Гельман-говно, Gelman-gowno also: Gelman-Scheisse (d.Üb.)
[7] Die Auflistung und Beschreibung der einzelnen Festlichkeiten lass ich weg, da das etwas vom Thema ablenkt und da ich zudem die Sache möglichst bald in deutscher Übersetzung unters Volk bringen möchte (d.Üb)
[8] Im Original steht прорусские (prorussisch); was meinem Verständnis nach keinen Sinn ergibt; vermutlich ein Flüchtigkeitsfehler. Hab es durch "antirussisch" ersetzt (d.Üb.)